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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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viel Zeit zur Verfügung, Wain?«
    Sie zuckte mit den Schultern. Kanin warf einen Blick auf ihre Hände, die sie in den Schoß gelegt hatte, und sah, dass sie mit ihren Ringen spielte. Er lächelte. Diese Angewohnheit besaß sie, solange er zurückdenken konnte. Er hatte ihr Bild deutlich vor sich – ein widerspenstiges kleines Mädchen, das im Nachthemd dasaß und unentwegt den Ring am Finger drehte, vor allem dann, wenn sie über etwas nachsann. Es war, als wirbelten ihre Gedanken so heftig umher, dass sie eine Art äußeres Echo erzeugten. Inzwischen merkte sie längst nicht mehr, was sie da tat, und wenn Kanin sie darauf aufmerksam machte – was er hin und wieder mit betonter Unschuldsmiene tat –, funkelte sie ihn so wütend an, dass er laut lachen musste. Auch das erinnerte ihn an ihre Jugend, an die gestrenge Miene, die sie immer dann aufgesetzt hatte, wenn ihr etwas aufgefallen war, das gegen ihren kindlichen Gerechtigkeitssinn verstieß.
    Er beschloss, sie lieber nicht zu necken. »Die Wachen sagten mir, dass du bei unseren Gefangenen warst.«
    »Das stimmt.«
    »Und?«
    »Das Mädchen ist zäher, als ich dachte. Nicht so schwächlich, wie die meisten von ihnen erscheinen. Aber natürlich hat sie Angst wie alle anderen. Sie leben in ständiger Furcht.«
    »Was ist mit dem Halbblut?«
    An Wains Spiegelbild konnte er ablesen, dass ihr der Na’kyrim gleichgültig war. »Ich glaube, der hat noch kein Wort geredet, seit er eingesperrt wurde. Die Wärter machen einen Bogen um ihn. Wir sollten ihn töten – und damit fertig.«
    Geduld hatte noch nie zu Wains Tugenden gezählt. Als sie noch Kinder waren, hatte sie sich stets Schelte eingefangen, weil sie die Hunde bei der Jagd zu früh losließ oder sich auf das Eis hinauswagte, noch bevor es richtig trug. Kanin wusste, dass sie die Untätigkeit nur schwer ertrug. Deshalb war sie losgezogen, um die Gefangene des Hauses Lannis-Haig zu quälen. Deshalb trieb sie die Erbauer der Belagerungsmaschinen so unerbittlich zur Eile an.
    »Selbst eine Ratte könnte sich irgendwann als nützlich erweisen«, murmelte Kanin. »Sieh dir Aeglyss an! Er hat seinen Zweck erfüllt. Vielleicht sollten wir die Belagerten auf der Burg noch ein wenig schmoren lassen, ehe wir das Halbblut umbringen und die Kleine zu Tode martern.«
    Wain hatte aufgehört, an ihren Ringen zu drehen. Das hieß im Allgemeinen, dass sie einen Entschluss gefasst hatte. Ihre Blicke trafen sich im Spiegel. Kanin sah, dass seine Schwester erregt war.
    »Es dauert nicht mehr lange«, sagte Wain. »Das spüre ich bis ins Mark. Der Pfad wird eine Wende nehmen – aber in welche Richtung? Was glaubst du, Kanin? Führt er uns ins Licht? Oder ins Dunkel?«
    »Das wird sich zeigen, Wain«, entgegnete er. »Das wird sich zeigen. Entweder erhalten wir Hilfe aus dem Norden, oder Croesan erhält Hilfe aus dem Süden. Das ist ein Gaul, der sich nicht nach unserem Willen lenken lässt. Wir können lediglich versuchen, im Sattel zu bleiben.«
    »Ja, gewiss.« In ihrer Stimme schwang jene unerschütterliche Überzeugung mit, die er so gut kannte. »Aber ich bleibe dabei. Die Wende ist nahe.«
    Igris, der Hauptmann von Kanins Leibgarde, erschien im Eingang – ein kraftstrotzender Hüne, der stumm auf der Schwelle stehen blieb und starr geradeaus schaute. Kanin legte den Kamm beiseite.
    »Was gibt es?«, fragte er.
    »Das Halbblut bittet um eine Audienz. Wir erklärten ihm, dass Ihr ihn nicht empfangen würdet.« Die Stimme des Mannes klang tief und kraftvoll.
    »Gut so«, sagte Kanin. Wain erhob sich und schnallte sich den Schwertgurt um.
    »Leider lässt er sich nicht abweisen«, fuhr Igris fort. »Er wartet immer noch draußen. Er bittet darum, mit dem anderen Halbblut sprechen zu dürfen, diesem Gefangenen aus Kolglas. Die Wärter hinderten ihn am Betreten des Kerkers.«
    Kanin seufzte ungeduldig. »Und nun macht er dich zu seinem Laufburschen, oder was?«
    Zum ersten Mal schaute der Gardehauptmann seinen Herrn an. Seine Miene war undurchdringlich, aber in seinen Augen glaubte Kanin den Hauch eines Zweifels zu erkennen.
    »Könnte es sein, dass er dich mit seiner unheimlichen Stimme verhext hat?«, bohrte Kanin nach. »Dass du in den Bann dieser Stimme geraten bist, als er seine Bitte vortrug?«
    »Nein, Herr. Das glaube ich nicht.«
    »Hoffen wir, dass du recht hast. Was meinst du, Wain? Vielleicht ist es an der Zeit, diesen Aeglyss loszuwerden.«
    Seine Schwester fuhr mit dem Daumen prüfend über die

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