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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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Unternehmen gewesen, getragen von der Hoffnung, dass dem Kühnen die Gunst des Schicksals hold wäre. Das Haus Horin-Gyre hatte in der Vergangenheit mehrfach die bittere Erfahrung gemacht, dass die Grenzfestung Tanwrye ein nahezu unüberwindliches Hindernis darstellte. Als jedoch das Halbblut Aeglyss auf Burg Hakkan erschien und die Hilfe der Schleiereulen-Kyrinin in Aussicht stellte, hatte Kanins Vater Angain beschlossen, die Gelegenheit zu nutzen. Obwohl Kanin nichts als Abscheu für die Nachkommenschaft solcher schändlichen Beziehungen empfand – und Aeglyss war ihm von Anfang an als besonders widerwärtiges, nur auf den eigenen Vorteil bedachtes Exemplar einer Mischrasse vorgekommen –, hatte selbst ihn der Vorschlag des Na’kyrim in Hochstimmung versetzt: Tanwrye würde in Bedeutungslosigkeit versinken, wenn es gelänge, ein ganzes Horin-Gyre-Heer mitten durch Anlane ins Feindesland zu schmuggeln. Lange vor Kanins Geburt, als Angain noch nicht den Titel des Thans trug, hatte eine Streitmacht von Lannis-Haig die tapfersten Krieger des Hauses Horin-Gyre bei Tanwrye niedergemetzelt. Angains jüngerer Bruder war damals gefallen, während Angain daheimbleiben musste, ans Krankenlager gefesselt durch eine Wunde, die er bei der Bärenjagd erlitten hatte. Aeglyss bot dem Than nicht nur Rache, sondern eine Art Heilung, als er versprach, die Truppen ins Herz des Lannis-Haig-Gebiets zu führen.
    In der Mitte des Platzes verlas einer von Kanins Gardeoffizieren mit lauter Stimme das Urteil. Es hatten sich kaum Zuschauer eingefunden – seine Schildwache, eine Handvoll Krieger, die sich frierend in ihre Umhänge wickelten, und etwa ein Dutzend Stadtbewohner, die man mit Gewalt aus ihren Häusern getrieben hatte. Es war ärmliches Lumpenpack, das störrisch zu Boden starrte und sich betont gleichgültig gegenüber dem Geschehen auf dem Marktplatz zeigte. Kanin wusste jedoch, dass die Leute die Nachricht von der schonungslosen Härte der Horin-Gyre-Rechtsprechung unter der spärlichen in Anduran verbliebenen Bevölkerung verbreiten würden.
    Die anderen Häuser des Schwarzen Pfads hatten anfangs über Angains Vorschlag gespottet, nicht zuletzt weil sie den bloßen Gedanken einer Allianz mit einem Kyrinin-Clan abstoßend fanden. Und selbst nach ihrer widerwilligen Zustimmung hatten sie nicht mehr als tausend Schwertkämpfer entsandt – aber auch sie nur zur Unterstützung des Scheinangriffs auf Tanwrye. Nachschub sollte kommen, hatte der Hoch-Than versprochen, falls dem Horin-Gyre-Heer das Kriegsglück hold war; dass er diese Wahrscheinlichkeit für gering erachtete, war offensichtlich. Außerdem hatten sich etwa hundert Angehörige der Krieger-Inkall eingefunden, natürlich mit Shraeve an ihrer Spitze. Der Gedanke schmerzte wie ein Stachel in Kanins Fleisch. Damals, vor vielen Jahren, hatten die Inkallim seine Familie bei Tanwrye verraten, als sie von einem Hügel aus tatenlos zugesehen hatten, wie die Horin-Gyre-Krieger überwältigt wurden. Er traute ihnen auch heute nicht. Allerdings war der Vorschlag, nicht nur den Than, sondern die gesamte Herrscherlinie von Lannis-Haig zu töten, von Shraeve gekommen, und sie hatte einen Teil ihrer Krieger freiwillig für einen Sturm auf Kolglas abgestellt. Und Aeglyss war es erneut gelungen, die Schleiereulen für diesen Angriff zu gewinnen. Sosehr Kanin den Na’kyrim verachtete, sein Wert stand außer Frage. Ohne die von den Waldelfen bereitgestellte Nahrung und ohne ihre Führer hätte er vermutlich die Hälfte seiner Krieger auf dem Marsch durch Anlane verloren; die andere Hälfte wäre wohl bei Gefechten mit feindlich gesinnten Schleiereulen umgekommen.
    In den letzten Tagen vor dem Aufbruch des Heers hatte das Schicksal noch einmal mit ganzer Härte zugeschlagen, als es Angain oc Horin-Gyre aus dieser Welt abberief. Seine Kräfte schwanden, und sein brennender Wunsch, selbst ins Feld zu ziehen, reichte nicht aus, um ihn im Diesseits zu halten. Als daher seine Zeit gekommen war, knieten Kanin und seine Schwester Wain neben seinem Lager nieder, eingehüllt in die Ausdünstungen seiner Krankheit, und gelobten, das Haus Lannis-Haig an seiner Stelle zu vernichten.
    Die Schergen banden ihren Opfern die Haare im Nacken zusammen. Der kleinere der beiden Söhne kämpfte gegen seine Angst an. Seine Lippen zitterten, während er krampfhaft ein Schluchzen zu unterdrücken versuchte. Kanin sah seine Not, ohne sie richtig aufzunehmen. Seine Gedanken waren weit weg von dem Geschehen, das

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