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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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gedrungener Bau, umgeben von Festungsmauern, hinter denen Than Ranal oc Ayth-Haig seine Tage in Trunksucht und Einsamkeit verbrachte. Eigentlich hieß er Bann Ilin; doch die meisten Bewohner nannten ihn den Säuferpalast. Das Haus Ayth war weit entfernt von dem Einfluss und der Größe seiner frühen Tage. Eine Reihe ausschweifender und verschwenderischer Titelerben hatten es so geschwächt, dass es mittlerweile völlig abhängig von der Gunst des Hoch-Thans war und ihm kriecherischen Gehorsam leistete. Selbst über die eigenen Ländereien herrschte Ranal bestenfalls dem Namen nach. Der Adel in Asger Tan und Ist Norr an der fernen Küste verweigerte ihm die Gefolgschaft ebenso wie die Bewohner der Räubernester und Goldwäscherlager in den kahlen Bergen von Far Dyne oder die Soldatenpatrouillen von Haig auf den Durchgangsstraßen seines Territoriums.
    In diese verwahrloste Stadt ritt Taim Narran dar Lannis-Haig an der Spitze seiner erschöpften Krieger ein. Das Heer war stark geschrumpft. Die Schwächsten hatte er in Vaymouth zurückgelassen, unter dem wachsamen Auge eines der wenigen Kaufleute, die ihre Wurzeln im Tal des Glas hatten. Auf dem Marsch entlang der Küstenlinie von Nar Vay und durch Dramain hinauf nach Dun Aygll war niemand mehr gestorben, aber die lange Strecke hatte ihren Tribut gefordert. Ihr Proviant war fast aufgebraucht, und sie mussten sich damit begnügen, was sie unterwegs bei Bauern und Händlern kaufen oder eintauschen konnten. Taim war so erleichtert gewesen, das Haig-Gebiet hinter sich zu lassen, dass er selbst das düstere, feuchte Dun Aygll als einen erfreulichen Anblick empfand. Und obwohl ihn das Haus Ayth-Haig kaum freundlicher aufnahm als Haig selbst, bedeutete die Ankunft hier, dass sie sich Gebieten näherten, in denen sie willkommen waren: Wenige Tage noch, und sie würden Kilvale an der Südgrenze von Kilkry-Haig erreichen. Dort zumindest konnten sie sicher sein, auf wahre Verbündete zu treffen.
    Doch zuerst benötigten sie eine Ruhepause. Drei Jahrhunderte lang oder länger hatte in Dun Aygll alljährlich ein großer Pferdemarkt stattgefunden. Die Ställe und Scheunen standen die meiste Zeit über leer und boten eine Behelfsunterkunft für die müden Kämpfer und ihre Tiere, sobald sich Taim mit dem Marktaufseher, einem kleinen Beamten der Eisenhändler-Zunft, über den Preis geeinigt hatte. Nur zwei der Zünfte – die Eisen- und die Wollhändler – besaßen noch Gildehäuser in Dun Aygll; die übrigen waren im Lauf der Jahre fortgezogen, zunächst nach Kolkyre, als Kilkry den Hoch-Than stellte, und später, mit dem Machtwechsel auf das Haus Haig, nach Vaymouth. Die Zünfte scharten sich stets um die Mächtigen. Sie erinnerten an Aasvögel, die einem geschlagenen Heer folgten. Die beiden noch in Dun Aygll ansässigen Zünfte besaßen mindestens den gleichen Einfluss wie der Than, und so suchte Taim das Gildehaus der Wollhändler auf, nachdem er seine Männer untergebracht und versorgt hatte. Sein Vater war Mitglied dieser Zunft gewesen, und er dachte, das müsse reichen, um dort die ersehnten Auskünfte über den gegenwärtigen Stand der Dinge zu erhalten.
    Das stattliche Gebäude, das ein wenig zurückgesetzt von der Straße stand, hatte einen Säulenvorbau. Eine Bettlerin, das Gesicht von der Königsfäule entstellt – angeblich wurde diese Krankheit durch einen Fluch ausgelöst, den der letzte Aygll-Monarch seinen Untertanen auf dem Sterbebett entgegengeschleudert hatte –, saß auf den Eingangsstufen und streckte Taim flehend die Hand entgegen.
    Taim ließ die Blicke über die Fassade des Hauses wandern. Sie war einst von gigantischen Mosaik-Ornamenten bedeckt gewesen, die vermutlich ein farbenprächtiges Bild geboten hatten, doch die Reste, die noch zu erkennen waren, wirkten stumpf und schäbig. Steingesichter schauten auf ihn herab, als er an den Säulen vorbeiging. Das Portal stand offen. Er passierte einen kurzen Gang, an dessen Ende ihm ein schmiedeeisernes Tor den Weg versperrte. Dahinter entdeckte er einen Garten, der um einen halb verfallenen Brunnen angelegt war.
    Ein misstrauischer Wachtposten ließ ihn ein und verständigte einen Bediensteten, der sich erst nach langem Zögern bereit fand, ein ranghöheres Zunftmitglied zu holen.
    Taim setzte sich auf eine verwitterte Steinbank neben dem Brunnen und starrte den dünnen Wasserstrahl an, der aus dem Maul eines zappelnden Fischs floss. Die Kunstfertigkeit des Bildhauers hatte durch die Zeit gelitten. Der Fisch

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