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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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Wunde?«
    »Ich habe sie kaum noch bemerkt.«
    »Ich schon. Ihr schont die eine Seite. Das bringt Euch aus dem Gleichgewicht. Aber das gibt sich sicher bald.«
    »Und dein Arm?« Orisian deutete mit dem Kinn auf den Verband um Rothes Handgelenk.
    »Schmerzt. Behindert mich aber nicht weiter.«
    »Könntest du mir auch Unterricht erteilen?«, fragte Anyara.
    Sie erwartete, dass Rothe den Gedanken sofort abtun werde. Die Krieger des Hauses Lannis-Haig brachten einer Frau nie und nimmer das Kämpfen bei, auch wenn – oder gerade weil – sie die Schwester des Thans war. Stattdessen lächelte der Leibwächter ein wenig traurig.
    »Vielleicht. Obwohl das eigentlich nichts für eine Dame ist …«
    »Ich bin in den letzten Wochen mehrfach auf Feinde gestoßen, die mich unbedingt töten wollten. Ich möchte es ihnen nicht allzu leicht machen, wenn ich ihnen wieder einmal begegne.«
    Rothe nickte. »Ein Dolch wäre für Euch besser als ein Schwert. Oder eine kurze Dornachklinge. Vielleicht wenn wir dieses Lager verlassen haben und Ihr es dann immer noch wollt.«
    Anyara fiel auf, dass der Leibwächter bei seinen letzten Worten Orisian ansah. Er will seine Zustimmung, dachte sie. Mein Bruder, der Than. Es war ein Gedanke, an den sie sich erst gewöhnen musste.
    »Schwerter sind schön und gut, aber sie lösen nicht alle Schwierigkeiten«, sagte Yvane und stieß die Nadel heftig durch das Wildleder.
    »Nicht alle, aber manche«, entgegnete Rothe.
    »Gegen manche der Na’kyrim , die vor langer Zeit lebten, nutzten Klingen überhaupt nichts.«
    »Ein gut gezielter Bolzen hilft immer«, murmelte Rothe.
    Yvane schnaubte. »Der letzte Whreinin vom Stamm der Blutlefzen riss Dorthyn Wolftöter die Kehle auf. Der legte beide Hände auf die Wunde, presste sie zusammen und heilte sie wieder. Dann schlitzte er den Wolf vom Bauch bis zum Hals auf. Das ist kein Kindermärchen, sondern die reine Wahrheit! Was hilft dir da dein Bolzen?
    Und als ich noch in Highfast war, las ich die Geschichte von Minon dem Folterer. Wenn diese Legende stimmt – was ich nicht behaupte –, war er ein Nichts, bis Menschen ihm die Knochen brachen und ihn mit Messern peinigten. Erst die entsetzlichen Schmerzen setzten seine inneren Kräfte frei. Was also nutzt eine Klinge, wenn sie deinen Feind in etwas noch Schlimmeres verwandelt?«
    Rothe warf der Na’kyrim einen finsteren Blick zu und verschwand in der Hütte.
    »Dem fehlt die Ausdauer für ein richtiges Streitgespräch«, stellte Yvane fest.
    »Glaubt Ihr, dass Aeglyss wie Dorthyn oder Minon ist?«, fragte Anyara. »Ich sah irgendwelche besonderen … Kräfte bei ihm.«
    »Nein«, erklärte Yvane, ohne von ihrer Arbeit aufzuschauen. »Ich glaube nicht, dass er an sie heranreicht. Aber du solltest nicht vergessen, dass er anders ist als du. Inurian sah Dinge in seinem Innern, die ihm Sorgen bereiteten. Ich glaube, ihr Huanin wisst nicht mehr, wie es war, wirklich mächtige Na’kyrim unter euch zu haben. Die einzige Macht, die ihr heutzutage anerkennt, ist die Macht der Schwerter, der Thane und der Goldtruhen. Habt ihr völlig vergessen, wie die Welt vor dem Krieg der Befleckten aussah?«
    »Ich weiß, dass die Na’kyrim damals sehr mächtig waren, wenn Ihr das meint«, erwiderte Anyara mit einer gewissen Schärfe.
    »Die Hälfte aller Herrscher des Aygll-Königreichs war einst Na’kyrim . Oh, das ist lange her, als das Königreich noch jung war und es Hunderte und Aberhunderte meiner Art gab, aber es stimmt dennoch. Na’kyrim marschierten an der Spitze von Heeren. Sie konnten die Gemeinschaft des Geistes jedem Zweck unterwerfen und die Welt nach ihrem Willen formen.«
    »Das ist vorbei«, murmelte Orisian. Yvane schaute auf, aber Orisian starrte auf den See hinaus.
    »Allerdings«, gab die Na’kyrim zu. »Das ist vorbei. Wir sind nur noch wenige, und das Geheimwissen jener Tage ging uns verloren.«
    Eine Kyrinin brachte ihnen Essen. Sie setzte wortlos Schalen mit Fischeintopf vor ihnen ab und ging wieder. Die Kinderschar zerstreute sich. Die Essgewohnheiten der fremden Besucher war für sie weniger spannend als das Spiel mit den Stöcken.
    Als die Abenddämmerung hereinbrach, zogen sie sich in die Hütte zurück. Orisian wurde zunehmend unruhig.
    »Es hat keinen Sinn, hier herumzusitzen«, sagte er zu Yvane. »Wir müssen weiter.«
    »Morgen«, stimmte sie ihm zu.
    »Wird uns Ess’yr begleiten?«, erkundigte sich Anyara. Orisians Blick verriet ihr, dass er darüber noch nicht nachgedacht

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