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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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hatte.
    Yvane antwortete an seiner Stelle. »Ich weiß es nicht genau. Wahrscheinlich schon. Ich glaube, sie fühlt sich verpflichtet, euch unversehrt bis nach Koldihrve zu bringen. Varryn – nun, das ist schwer zu sagen. Er wäre nicht einmal bis hierher gekommen, wenn Ess’yr Inurian nicht ihr Wort gegeben hätte …«
    »Der Ra’tyn ?«, fragte Orisian, und Yvane nickte.
    »Ess’yr versprach Inurian, sie werde dich und deine Schwester in Sicherheit bringen. Es war ein Versprechen angesichts des Todes und deshalb in den Augen der Kyrinin eine ernste Angelegenheit. Ess’yr ist daran gebunden, Varryn nicht – er scheint mir mehr als bestürzt über diesen Schwur zu sein. Aber vielleicht will er in der Nähe seiner Schwester bleiben.«
    Orisian wirkte nachdenklich. Anyara überlegte, was er wohl empfinden würde, wenn er sich endgültig von Ess’yr trennen musste. Aber vielleicht stellte er sich gerade die gleiche Frage.
    »Wir werden gleich morgen mit ihnen sprechen«, meinte er schließlich. »Sie müssen erfahren, dass wir nicht länger bleiben können. Was sie dann tun, ist ihre Sache.«

    Am nächsten Morgen stand vor der Hütte wieder Essen für sie bereit. Anyara fiel auf, dass während ihres gesamten Aufenthalts niemand außer Ess’yr und Varryn mit ihnen gesprochen hatte. Die Bewohner des Vo’an sorgten für ihre Unterkunft und Verpflegung, schenkten ihnen aber sonst keinerlei Beachtung. Nur die Kinder nahmen ihre Anwesenheit offen zur Kenntnis.
    Sobald sie sie fertig gegessen hatten, erhob sich Yvane und sagte: »Ich will sehen, ob ich etwas Reiseproviant auftreiben und ein paar Worte mit Ess’yr wechseln kann.«
    »Ich komme mit«, erklärte Orisian. Rothe wollte Orisian nicht allein gehen lassen, und Anyara hatte keine Lust, untätig herumzusitzen. Also zogen sie am Ende alle los.
    Im Vo’an herrschte Stille. Es war ein trüber Morgen. In der Luft lag etwas Stumpfes, als warte das Tal auf einen Wetterwechsel, ehe es selbst richtig erwachte. Sie erreichten den Platz in der Mitte des Lagers, wo der von schädelgeschmückten Pfählen umgebene Seelenfänger aufgebaut war. Die wenigen Kyrinin, die unterwegs waren, hoben nicht einmal die Köpfe, als Anyara und die anderen näher kamen.
    Die Stille wurde unvermittelt von hellster Aufregung unterbrochen. Varryn tauchte im Laufschritt zwischen den Hütten auf, gefolgt von anderen Kyrinin-Kriegern. Ess’yr war an seiner Seite. Ihr schwankender Gang verriet, dass sie starke Schmerzen hatte. Anyara fing den mitfühlenden Blick auf, den Orisian der Kyrinin-Kriegerin zuwarf.
    »Oho, das sieht nicht gerade nach einem fröhlichen Empfang aus«, flüsterte Yvane.
    Varryn stürmte an ihnen vorbei.
    »Wir gehen jetzt«, sagte er.
    Ess’yr blieb stehen. Ihre Miene war undurchdringlich.
    »Wir werden verfolgt«, sagte sie. »Da ist noch ein Mann mit einem Hund.« Sie deutete über die Schulter auf die Bergkette des Car Criagar.
    »Dann bringen wir ihn zur Strecke«, entgegnete Rothe heftig. »Im Lager müssen mindestens hundert Krieger sein. Wir können …«
    Ess’yr schüttelte nur den Kopf und folgte ihrem Bruder.
    Anyara warf einen Blick auf die Kyrinin, die sich schweigend zusammengerottet hatten. Zum ersten Mal spürte sie, dass eine Bedrohung von ihnen ausging.
    »Kommt!«, sagte Yvane und machte sich auf den Rückweg.
    Orisian und Anyara eilten ihr nach, während Rothe zurückblieb, um sicherzugehen, dass die Füchse ihnen nicht folgten.
    »Es hat wenig Sinn, sie umzustimmen, wenn sie einmal einen Entschluss gefasst haben«, meinte Yvane. »Sie wollen vermutlich nicht in Streitereien unter den Huanin hineingezogen werden. Und machen uns vermutlich dafür verantwortlich, dass wir die Aufmerksamkeit von Fremden auf ihr Vo’an lenken. Alles in allem haben wir ihre Gastfreundschaft wohl ein wenig überbeansprucht.«
    III
    Orisian entdeckte, dass sich das Tal der Tränen stark von seiner Heimat unterschied. Die verwahrlosten Gehöfte, auf die sie stießen, lagen weit verstreut inmitten ungepflegter Felder. Der Boden war schwer und nass; es gab viele kleine Moore und Schilfweiher. Die Rinder, die in der Schwemmebene grasten, starrten verdrießlich vor sich hin.
    Hin und wieder kamen sie auf ihrem Weg zum Meer an verlassenen Bauernhäusern vorbei. Die meisten waren zerfallen, aber gelegentlich stießen sie auch auf gut erhaltene Gemäuer, überwuchert von Moos und Ranken. Hier lebten einst mehr Menschen, dachte Orisian, weitaus mehr Menschen.
    Zuweilen

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