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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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aufgerichtet und lauschte. Orisian entging nicht, dass sie besorgt die Stirn runzelte.
    Nach einer Weile einigten sich Varryn und Ess’yr offensichtlich auf einen sofortigen Aufbruch, denn sie packte ihre Habe zusammen.
    »Warten wir nicht, bis sich das Wetter gebessert hat?« Anyara gelang es, ihre Sorge in eine harmlose Frage zu kleiden.
    »Nein«, sagte Ess’yr. »Wir gehen jetzt. Schnell.«
    »Was ist geschehen?«, erkundigte sich Orisian.
    »Der Feind kommt.«
    Yvane wirkte nachdenklich, während sie hinter den beiden Kyrinin drein hasteten, die sich mit schnellen Schritten von der Scheune entfernten.
    »Die Inkallim?«, fragte Orisian, aber Yvane schüttelte den Kopf.
    »Es scheint, als sei in den Bergen ein Krieg ausgebrochen. Kein Überfall wie sonst. Hunderte von Schleiereulen strömen in den Norden. Meines Wissens nach sind noch nie so viele von ihnen in das Gebiet der Füchse eingedrungen. Das ist nicht die Art der Kyrinin, ihre Kämpfe auszutragen. Sie schleichen lieber in kleinen Gruppen durch die Gegend.«
    »Sind sie hierher unterwegs?«
    »Wahrscheinlich. Das größte Vo’an der Füchse befindet sich in der Nähe von Koldihrve. Die Schleiereulen werden es überfallen, falls sie es auf das Blut der Erzfeinde abgesehen haben. Und an ihrer Blutgier besteht kaum ein Zweifel, wenn sie in solchen Scharen anrücken. Das riecht nach Ärger. Nach mehr als Ärger. Wenn ihr nicht bald auf ein Boot gelangt, das euch in den Süden bringt, dann sehe ich schwarz für euch.«

    Ein unerwarteter Anblick bot sich ihnen, als sie ein Erlenwäldchen umrundeten und endlich das Meer vor sich liegen sahen. Zwei äußerst ungleiche Siedlungen flankierten die breite Mündung des Dihrveflusses. An seiner Nordseite breitete sich im Schutz eines primitiven Deichs ein wüstes Gewirr von niedrigen Häusern und Behelfsbauten aus – Koldihrve, die Stadt der Herrenlosen. Im Süden des Flusses befand sich ein riesiges Vo’an , das aus weit mehr Zelten und Hütten bestand, als Orisian erwartet hatte. Über den Fluss führte ein langer, auf Pfählen errichteter Holzsteg, der die beiden Siedlungen verband. Es hätte eine Vision aus der fernen Vergangenheit sein können, aus der Zeit vor dem Krieg der Befleckten, da die beiden Rassen noch mehr füreinander empfanden als Misstrauen und Bitterkeit.
    Noch unerwarteter, aber höchst willkommen war der Anblick, der sich ihnen jenseits der schäbigen Dächer von Koldihrve bot: die hohen Masten eines Ozeanschiffs, das in der Flussmündung vor Anker lag.

    Cerys, die Auserwählte von Highfast, fuhr mit einem Finger über den ausgefransten Saum ihrer schlichten braunen Amtstracht. Sie musste ihn bald wieder einmal flicken. Wenige unter den Na’kyrim von Highfast hätten ihrer Auserwählten ein neues Gewand missgönnt, aber Cerys zog es vor, mit gutem Beispiel voranzugehen. Noch spendete der Than von Kilkry-Haig alljährlich eine größere Geldsumme. Kleinere Gaben kamen meist von Kennet nan Lannis-Haig – hier machte sich Inurians Einfluss bemerkbar – und einem oder zwei der Marschen-Fürsten an der Nordgrenze von Taral-Haig. All das benötigte sie jedoch für Lebensmittel und die Materalien für die Kopisten und Chronikschreiber. Neue Kleidung musste warten. Als Kilkry noch an der Spitze der Fürstengeschlechter gestanden hatte, war vieles leichter gewesen. Heutzutage hatte Lheanor oc Kilkry-Haig immer höhere Abgaben an Vaymouth im Süden zu entrichten; er konnte kaum noch etwas für die geheime Arbeit der Bewohner von Highfast erübrigen.
    Die Auserwählte ließ den Saum aus den Fingern gleiten. Das müßige Sinnieren lenkte sie nur von den anstehenden Aufgaben ab. Sanft tastete sie sich zum Gemeinsamen Ort vor, ließ ihre Sinne mit seinen Strömungen fließen. Sie spürte die Anwesenheit jener, die sie suchte: Die Konklave-Teilnehmer hatten sich in dem Raum neben ihren Gemächern hier im Bergfried der Feste versammelt.
    Der Gedanke an das bevorstehende Treffen behagte ihr nicht. Unruhe hatte Highfast erfasst, und sie machte die Leute reizbar und streitsüchtig. In jüngster Zeit waren einfach zu viele Gerüchte umhergeschwirrt. Zumindest dies ließ sich durch die Versammlung möglicherweise abstellen.
    Cerys legte sich die Amtskette um. Sie war sehr schlicht gearbeitet – nichts außer schmucklosen Eisengliedern –, wie es sich für ein Symbol geziemte, das eher für Dienen als für Erhöhung stand. Die Wahl zur Vorsitzenden des Konklaves erhob sie nur insofern über die anderen, als

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