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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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er einen Stoß in Leder gebundener dicker Bücher, die so modrig und stockfleckig waren, dass sie sich beim Durchblättern vermutlich auflösten. Der Raum war schlampig und vom Verfall bedroht, hatte aber doch große Ähnlichkeit mit Inurians Zimmer in Kolglas. Vielleicht war Hammarn einst von der gleichen unersättlichen Wissbegier besessen gewesen wie Inurian. Die Spuren eines scharfen Verstands waren noch zu erkennen, so als habe Hammarn das Gepäck eines völlig anderen Menschen in seine letzten Lebensjahre mitgeschleppt.
    Yvane beobachtete Orisian und spürte, was in ihm vorging.
    »Manchen bringt das Alter Weisheit«, sagte sie. »Für manche hält es andere Früchte bereit.« Ihre Worte klangen sanft, und der alte Na’kyrim kicherte leise in sich hinein.
    »Der alte Hammarn, jawohl. Auch der tote Hammarn genannt.« Er blinzelte Orisian zu. »Tot, verstehst du, weil ich die Geistgemeinschaft spüre, aber nie berühren kann. Nie. Fünf Tote, fünf Erweckte. In Koldihrve jedenfalls. Und alt bin ich, wirklich sehr alt …« Er sprach den Satz nicht zu Ende, als sei ihm plötzlich ein neuer Gedanke gekommen.
    »Ich dachte, es gebe elf Na’kyrim hier?« Yvanes Stimme holte Hammarn in die Gegenwart zurück.
    »Ja, früher einmal«, entgegnete er traurig. »Brenna entschlief vor zwei Jahren, in der Stunde der Winterwende. Böses Omen. Da gibt es kein Erwachen mehr.«
    Yvane nickte. »Ich war lange nicht mehr hier. Wer ist zur Zeit Oberster Wächter, Hammarn? Ich denke, wir sollten mit ihm sprechen. Fremde sorgen hier immer für Wirbel.«
    »Ach, immer noch Tomas«, sagte Hammarn, und in seiner Stimme schwang Abscheu mit. »Der böse Tomas«, flüsterte er mit Verschwörermiene. »Aber verratet ihm nicht, dass ich das gesagt habe.«
    Er musterte sie ernst, bis Orisian nickte.
    »Er weiß bestimmt längst, dass ihr hier seid«, fuhr Hammarn fort.
    Yvane seufzte. Dann wandte sie sich an Orisian und Anyara. »Falls sich Tomas nicht grundlegend geändert hat, ist es wohl besser, wenn ihr ihm aus dem Weg geht. In Koldihrve herrscht ein raues Klima, das bestimmt nicht milder wird, wenn die Bewohner erfahren, dass sich die Nachkommen des Hauses Lannis-Haig in ihrer Mitte befinden.«
    »Der hat sich keine Spur geändert«, warf Hammarn ein. »Ist und bleibt der böse Tomas, so viel steht fest. Besucher aus dem Glas-Tal mag er nicht besonders.« Er warf Yvane einen ängstlichen Blick zu und setzte dann zögernd hinzu: »Er mag auch dich nicht besonders, teure Freundin. Ich bezweifle, dass er dich mit offenen Armen empfängt.«
    Yvane runzelte fragend die Stirn, aber dann begriff sie, was er meinte. »Immer noch beleidigt? Das liegt doch mindestens vier Jahre zurück.«
    Hammarn zuckte die Achseln und grinste breit.
    »Mit diesem Tomas hatte ich eine Auseinandersetzung, als ich das letzte Mal hier war«, erklärte Yvane. »Eine der Fischerfrauen bekam ein Na’kyrim -Kind, und er entfesselte einen ungeheuren Wirbel, weil er unbedingt herausfinden wollte, wer der Vater war. Seine armselige Macht war ihm zu Kopf gestiegen, und das sagte ich ihm ins Gesicht. Schmeckte ihm ganz und gar nicht, einmal die Wahrheit zu hören. Nun, ich muss den Widerling nicht unbedingt wiedersehen.«
    Ihre Blicke wanderten prüfend zwischen Orisian und Anyara hin und her. »Und wenn ihr beide ihm begegnet, gebt ihr euch einfach als die Kinder eines Holzfällers aus.« Sie grinste boshaft. »Das nimmt euch vermutlich jeder ab. So schmutzstarrend und zerlumpt, wie ihr ausseht, könnte man euch für Bettler halten.«
    Anyara und Orisian sahen an sich hinunter. Yvane hatte natürlich recht. Ihre Kleidung war mit Erde verkrustet und wies zahlreiche Risse und Löcher auf. Ihre Wanderungen seit der Winterwende hatten nicht nur im Innern Spuren hinterlassen.

    Als er fragte, wo er sich waschen könne, wurde Orisian zu einem Zuber gewiesen, der im Freien hinter der Hütte stand. Auf dem Weg dorthin bemerkte er zwei kräftige Männer mit Schlagstöcken, die auf der Straße herumlungerten und ihn unverhohlen anstarrten.
    Er zog die Jacke aus und tauchte den Kopf in den Bottich. Die Berührung mit dem eiskalten Wasser traf ihn wie ein Schmerz, der ihn belebte und die Haut zum Prickeln brachte. Er schüttelte die Nässe aus den Haaren. Eisige Tropfen fielen ihm auf Schultern und Rücken. Ihn fröstelte. Dennoch verteilte er mit beiden Händen Wasser auf Hals und Brust und versuchte, den fest in den Poren sitzenden Schmutz zu lösen.
    Als er die Blicke über den

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