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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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habe.«
    Mordyn senkte den Kopf und dachte nach.
    »Du sagtest, sie sei unrein. Inwiefern?«
    »Die Königsfäule, Herr.«
    »Hm. Wurde sie durchsucht?«
    »Nach Auskunft der Wächter ist sie unbewaffnet, Herr.«
    Mordyns Neugier war geweckt. Wenn Torquentine seine unbezahlbare Türhüterin persönlich schickte, musste die Nachricht einigermaßen wichtig sein.
    Als er die Wachstube erreichte, schickte er alle Anwesenden fort und nahm Magrayn gegenüber Platz.
    »Ich hätte nie gedacht, dass ich dich einmal hier in meinem Haus begrüßen würde, Türhüterin«, sagte er.
    Sie hatte die Kapuze so weit in die Stirn gezogen, dass ihr Gesicht größtenteils im Schatten lag. Seine Wachleute hatten vermutlich geflucht, als sie die Haube zurückschoben.
    »Sparen wir uns die Vorreden«, sagte sie mit rauer Stimme. »Ich glaube, meine Anwesenheit hat Eure Männer verstört.«
    »Da könntest du recht haben. Was also hat dir dein Herr aufgetragen?«
    »Dies ist seine Botschaft im genauen Wortlaut: Ich höre, Ihr begebt Euch nach Kolkyre, werter Kanzler. In Lheanors Hauptstadt lebt ein Wucherer namens Ochan. Ein Schuft, schlimmer noch, ein Blutsauger. Ein Schmuggler und Hehler, dazu ein Erpresser der schlimmsten Sorte. Es wäre von Vorteil für alle Than-Geschlechter und ehrlichen Händler, wenn man ihn vor Gericht brächte, aber er scheint unter den Fittichen eines mächtigen Beschützers zu stehen. Alle Schulden zwischen uns wären getilgt, sollte Euer Aufenthalt in Kolkyre zeitlich mit Ochans Sturz zusammenfallen.«
    Mordyn lachte. »Ich soll also der lange Arm von Torquentines Rache an einem Rivalen sein?«
    Magrayn blieb stumm und völlig unbeweglich.
    »Nun gut, kehr zu deinem Herrn zurück und richte ihm aus, dass ich mir die Sache überlegen werde. Aber das ist kein Versprechen, Magrayn, hörst du? Kein Versprechen. Und beglückwünsche ihn zu seinen Schnüfflern! Es ist erst einen Tag her, seit ich den Entschluss gefasst habe, nach Kolkyre zu reisen.«
    Nachdem Torquentines Türhüterin gegangen war, blieb Mordyn allein in der Wachstube sitzen. Ein schwaches Lächeln umspielte seine Lippen. Er musste Torquentines Dreistigkeit bewundern. Dass er den Versuch wagte, den Kanzler der Haig-Geschlechter in seine Intrigen mit einzubeziehen, erforderte schon ein beachtliches Selbstbewusstsein. Aber Mordyn war nicht abgeneigt, ihm den Gefallen zu erweisen. Es konnte nicht schaden, in Kolkyre ein wenig die Autorität des Hoch-Thans auszuspielen. Einen Mann zu Fall zu bringen, den Lheanors eigene Leute bis jetzt gedeckt hatten, stellte auf höchst elegante Weise die Vormachtstellung des Hauses Haig unter Beweis.
    V
    Orisian konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Koldihrve stank. Nach Fisch und Schlachtabfällen, nach Rauch und brackigen Tümpeln, nach Schmutz. Es waren Gerüche, die er auch aus Kolglas kannte, aber hier kamen sie ihm durchdringender vor. Und die Stadt war laut. Lärm und Geschrei hallten durch die aufgeweichten, mit Pfützen übersäten Straßen. Aus einer verfallenen Schenke drang ohrenbetäubender Gesang.
    Wüste Kerle führten mit Fellen, Rüben oder Rinderhälften beladene Mulis am Zügel; runzlige alte Klatschweiber standen an offenen Fenstern oder in Hauseingängen zusammen. Ausgemergelte Köter rannten hin und her, am Boden umherschnüffelnd und ständig auf der Hut vor den Steinen, die nach ihnen geworfen wurden. Die Häuser waren schief und krumm, viele davon aus irgendwelchen Holzresten grob zusammengezimmert.
    Varryn und Ess’yr hatten sich von ihnen getrennt, bevor sie die Stadt betraten, um das Vo’an auf der anderen Seite des Flusses aufzusuchen. Ess’yr hatte versprochen, sich später bei ihnen zu melden. Orisian merkte, dass sie auch ohne ihre Kyrinin-Begleiter auffielen. Die Bewohner der Stadt musterten sie neugierig oder argwöhnisch und tuschelten hinter vorgehaltener Hand, wenn sie vorübergingen.
    »Der alte Hammarn lebt unten am Fluss«, sagte Yvane. Sie wanderte durch die Straßen von Koldihrve, ohne sich um die hässlichen Eindrücke und die fragenden, unfreundlichen Blicke zu kümmern.
    Sie kamen an einem verwesenden Hundekadaver vorbei, der halb unter dem hölzernen Gehsteig lag. Eine zerlumpte, schmutzstarrende Kinderhorde schrie ihnen Schimpfworte nach und floh mit kreischendem Gelächter, als Rothe drohend die Faust hob.
    Selbst das Wasser, das an den schlammigen Strand schwappte, war eine trübe, bleigraue Brühe, verglichen mit dem stets wechselnden Farbenspiel des Meers,

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