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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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ruhig.
    »Vielleicht«, murmelte der Titelerbe des Hauses Kilkry-Haig. »Vielleicht.«
    »Ich breche morgen nach Glasbridge auf. Ich wollte Euch noch einmal sehen und Euch mein Bedauern ebenso wie meine gute Wünsche für die Zukunft aussprechen.«
    »Störe ich?«
    Die leise Stimme von der Tür her überraschte sie beide. Roarics Mutter Ilessa stand auf der Schwelle. Ein tiefer Schmerz lag auf ihren Zügen, als sie ihren Sohn ansah. Sie hat Angst um ihn, dachte Taim.
    »Hier ist jemand, den Ihr vermutlich sprechen wollt, Taim Narran«, sagte Ilessa. »Kommt Ihr bitte mit?«
    Taim schaute zu Roaric hinüber, aber der Jüngere hatte sich abgewandt, fast als schäme er sich, dem Blick seiner Mutter zu begegnen. Schweren Herzens folgte er Ilessa nach draußen und die Wendeltreppe hinunter, die das Rückgrat des Turms der Throne bildete.
    »Boote laufen in den Hafen ein«, berichtete Ilessa unterwegs. »Sie kommen aus Glasbridge. Die Stadt ist gefallen, Taim – zerstört.«
    Ein Stöhnen entrang sich Taim, ehe er es unterdrücken konnte.
    »Dennoch habe ich nicht nur schlechte Nachrichten für Euch«, setzte Ilessa rasch hinzu. »Kommt, hier herein!«
    Sie schob ihn durch eine Tür, folgte ihm jedoch nicht. Einen Moment lang wunderte ihn das, doch dann sah er die schmale Frau, die allein an einem Tisch saß. Bei ihrem Anblick stockte ihm der Atem, und alle Sorgen, die ihn belasteten, fielen mit einem Schlag von ihm ab. Tränen traten ihm in die Augen, als sie sich erhob und ihn umarmte.
    »Ich hatte solche Angst um dich«, sagte er und drückte sie an sich. Hier waren Licht und Hoffnung inmitten aller Finsternis. Er umklammerte sie, als wolle er sie nie mehr loslassen.
    »Und ich um dich«, entgegnete seine Gemahlin Jaen mit schwankender Stimme. »Du warst diesmal zu lange fort.«
    »Ja, viel zu lange.« Mehr als diese Worte brachte er nicht hervor.

    Später berichtete sie ihm vom Untergang der Stadt Glasbridge; von dem stillen Nebelmorgen, als plötzlich eine gewaltige Flut aus dem Norden kam. Der Glas verwandelte sich in einen Wasserwall, der tosend das Tal entlangstürzte. Er wälzte sich durch das Zeltlager der Krieger vor dem Nordtor der Stadt, sammelte eine Fracht toter Menschen und Pferde und schob sie vor sich her. Er warf sich gegen die Palisaden und Brücken, hämmerte mit Baumstämmen, Felsbrocken und Leichen auf sie ein. Das Wasser schäumte und schwoll an, bis es die mächtigen Pflöcke aus dem Erdreich riss. Die Einfriedung aus Eichenstämmen, die Glasbridge an der Nordflanke geschützt hatte, wurde mitgerissen und ins Meer hinausgetragen. Die Flut brauste mitten durch das Herz der Stadt. Und mittags, fast auf den Glockenschlag genau, gab die steinerne Brücke nach, die seit den Tagen des Königreichs Aygll die Flussmündung überwölbte, und versank polternd im schäumenden Wasser.
    Es folgten Stunden des Chaos, in denen Lärm, Angst und Wut herrschten. Bei Einbruch der Dunkelheit kam im Kielwasser der Flut das Heer des Schwarzen Pfads, und von da an herrschte nur noch Angst.
    Taims Gemahlin, seine Tochter und deren Ehemann kämpften sich zu den Docks durch und konnten sich in dem Tumult am Hafen die Passage auf einem kleinen Fischerboot erschachern. Überladen mit verängstigten Menschen, steuerte der Kahn in den Mündungsarm hinaus und auf Kolglas zu. Als sie noch einmal zurückschauten, sahen sie einen orangeroten Schein am Nachthimmel und wussten, dass Glasbridge in Flammen stand.
    Trotz der beklemmenden Schilderung empfand Taim nur Erleichterung. Eine schwere Bürde war von ihm abgefallen. Seine Frau und seine Tochter hatten das Gemetzel in der Heimat überlebt. Zum ersten Mal durchdrang ein Lichtstrahl das hoffnungslose Dunkel. Als er in dieser Nacht nach so langer Zeit wieder in ihren Armen lag, merkte er, dass er immer noch die Fähigkeit besaß, an eine Zuflucht zu glauben.
    VII
    Orisian und Yvane saßen am Strand hinter Hammarns Hütte. Die Na’kyrim kratzte sich mit einem spitzen Zweig den Schmutz unter den Fingernägeln hervor. Orisian beobachtete Eldryn Delynes Schiff. Seit dem Einbruch der Abenddämmerung brannten Fackeln am Bug und am Heck. Hin und wieder flackerte ihr Licht, wenn jemand von der Besatzung vorbeiging.
    Irgendwo weit draußen im zunehmenden Dunkel kreischte ein Seevogel. Orisian erkannte den Schrei nicht. Er klang wie die Stimme eines vergessenen Lands. Kleine, an altersschwachen Landestegen vertäute Boote lagen mit dem Kiel im Schlamm, als habe sie jemand für immer hier

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