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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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Gewicht haben könnten. Doch der Oberste Wächter ging nicht darauf ein.
    »Ihr redet wie einer aus der Lannis-Gegend.«
    »Mein Name ist Orisian. Ich komme aus Kolglas.«
    Tomas nickte bedächtig, als sei ihm das bereits bekannt. Es war Täuschung, entschied Orisian, eine wichtigtuerische Geste. Seiner Ansicht nach konnte Tomas nicht wissen, wie Croesans Neffe hieß.
    »Ihr seid nicht nur mit Kyrinin unterwegs«, fuhr der Oberste Wächter fort. »Wie meine Leute in Erfahrung brachten, befindet sich auch Yvane bei Euch.«
    »Wir begegneten ihr in den Bergen«, erklärte Orisian.
    »Schlechte Gesellschaft, in der Ihr Euch da befindet. Aber die Eidpflichtigen besitzen nun einmal kein Urteilsvermögen.«
    Orisian wollte etwas entgegnen, doch Tomas redete einfach weiter.
    »Und wer sonst noch außer den Füchsen und dieser Na’kyrim ? Ein Mädchen, wie ich hörte, und ein Mann mit Bärenkräften.«
    »Meine Schwester«, sagte Orisian. »Und ein Holzfäller, der für meinen Vater arbeitete.«
    »Tatsächlich? Nun ja, wenn Ihr meint. Wir kümmern uns hier nicht um die Angelegenheiten anderer Leute. Niemand wird Euch Schwierigkeiten machen, wenn Ihr keinen Grund dafür liefert.«
    Er hustete und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab.
    »Jeder Than, der seine Herrschaft antritt, schickt uns Boten, die uns zu überreden versuchen, den Treueid zu leisten. Wir beachten sie nicht weiter, und so ziehen sie nach einer Weile wieder ab. Es gab sogar einmal einen, der uns Geschenke schickte. Tavan hieß er, wenn ich mich recht erinnere. Ich habe das Schwert noch, das mein Großonkel von seinen Leuten erhielt. Sehr hübsch als Wandschmuck. Aber mit einer guten Bärenfalle könnte ich, ehrlich gesagt, mehr anfangen. Dem Mann, der das Ding brachte, klangen die Ohren, als er wieder ging. Mein Großonkel war kein Freund schöner Worte.«
    Tomas’ Lachen ging in einen Hustenanfall über. Er spuckte in einen verbeulten Blechnapf zu seinen Füßen, der so aussah, als sei er noch nie gesäubert worden.
    »Treueide machen Männer zu Sklaven, wenn Ihr mich fragt«, fuhr Tomas fort. »Das brauchen wir hier nicht.«
    »Es könnte allerdings sein, dass Ihr dieses Schwert noch brauchen könnt, wenn die Krieger vom Schwarzen Pfad hier anrücken«, sagte Orisian.
    Tomas zuckte die Achseln und trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte herum.
    »Wir biegen uns mit dem Wind«, erklärte er. »Ob der Schwarze Pfad oder Eure Leute, das macht für uns wenig Unterschied. Es ist der Treueid, der einem Menschen die Freiheit nimmt, der Treueid und alles, was er mit sich bringt. Ist es nicht einerlei, wem man ihn leistet? Ihr seid im Grunde alle gleich. Eure Eide führen immer nur zu Streit und Krieg.«
    Orisian schluckte seine Antwort hinunter.
    »Und nun gibt es also Krieg am Glas, stimmt’s?«, fragte Tomas. »Muss wohl so sein, wenn Ihr den Schwarzen Pfad droben in den Hügeln habt.«
    »Kämpfe, ja. Sie werden bald vorbei sein.«
    »Wenn Ihr das sagt.« Tomas grinste schief. Sein Gebiss war lückenhaft. »Gibt vermutlich irgendwann keine Leute mehr zum Umbringen. Geht mich nichts an. Ich will nur nicht, dass Ihr mit Euren Problemen nach Koldihrve kommt.«
    »In diesem Punkt kann ich Euch beruhigen«, erklärte Orisian mit großer Entschiedenheit. »Wir gehen morgen an Bord des Handelsschiffs von Tal Dyre, und Ihr seht uns nie wieder.«
    »Wenn Ihr den Kapitän überreden konntet, Euch mitzunehmen, seid Ihr nicht arm. Geht die Na’kyrim auch an Bord?« Schleim sammelte sich in Tomas’ Kehle und machte die Stimme noch heiserer.
    »Yvane? Ja, sie begleitet uns.«
    »Abgemacht«, sagte Tomas. »Sollte ich Euch oder sie noch in der Gegend sehen, nachdem das Schiff in See gestochen ist, werde ich neue Fragen an Euch stellen, verstanden? Ich sorge für Ordnung in dieser Stadt, und es gibt viele, die mir dabei zur Hand gehen. Wir halten nichts von Lannis-Untertanen in Koldihrve und schon gar nicht, wenn der Schwarze Pfad Euch auf den Fersen ist.«
    »Keine Sorge, morgen sind wir weg.«
    Tomas nickte. Noch während er seinen Besucher hinauswinkte, schüttelte ihn ein starker Husten. Orisian wich zurück, als sei schon der Klang ansteckend. Sobald er im Freien war und die kalte Nachtluft einatmete, verdrängte er die Unterredung aus seinen Gedanken. Es spielte keine Rolle, dass Tomas etwas bedrohlicher – um nicht zu sagen, gefährlicher – gewirkt hatte als erwartet. Bald, schon bald würden sie dieser Stadt den Rücken kehren und nie mehr

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