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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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zurückkehren. Davon war Orisian fest überzeugt.

    Sie verbrachten die Nacht auf dem Fußboden in Hammarns Hütte, dicht zusammengedrängt und mit Fellen und Decken gegen die Kälte geschützt. Die Dielen waren eine harte Unterlage, aber Orisian schlief gut. Selbst als Rothe zu schnarchen begann – grollend und sägend und laut genug, um die halbe Stadt zu wecken –, wachte Orisian nur lange genug auf, um seinen Leibwächter kurz an der Schulter zu rütteln. Schimpfend wälzte sich Rothe zur Seite, und das Schnarchen verstummte.
    Noch ein- oder zweimal tauchte Orisian aus den Tiefen seines Schlafs auf. Er hörte das Seufzen kleiner Wellen, die sich über den Strand ergossen, und später das Trommeln von Regen auf dem Dach. Er hörte das Knarren von Bootsplanken und die Atemzüge seiner Gefährten. Er schmiegte sich in die Wärme der engen Hütte und schlief, und obwohl er schwere Träume hatte, beunruhigten sie ihn nicht. Am Morgen versanken sie, und er vergaß sie.

    Der Morgen zog herauf, als Kanin die Lichter von Koldihrve erblickte. Sie tauchten im verschwommenen Grau von Land, Meer und Wolken auf, ein schwach flimmernder Sternenhaufen unter dem Regen, der kurz zuvor eingesetzt hatte. Der Than von Horin-Gyre spähte zum Himmel, wo ein Heer schwarzer Wolken bedrohlich näher rückte.
    Er und fünf Mann seiner Schildwache waren dem Rest der Truppe vorausgeeilt. Nun warteten sie in Sichtweite der Stadt, dass die anderen sie einholten. Wann kommen sie endlich?, dachte Kanin wütend. Es würde immer noch gut zwei Stunden dauern, bis sie Koldihrve erreicht hätten. Der Ritt durch die öde, morastige Landschaft hatte mehr Zeit gekostet als erwartet. Jede noch so kleine Verzögerung ärgerte ihn und versetzte ihn in eine immer schlechtere Stimmung.
    Sein Pferd spürte das und schüttelte unruhig die Mähne. Wenige Schritte entfernt befand sich ein Sumpfgraben. Kanin lenkte das Tier dorthin, tätschelte ihm den Hals und lockerte die Zügel, damit es trinken konnte. Es war noch immer das gleiche Pferd, das er vor vielen Monaten für sein kühnes Unternehmen ausgewählt hatte. Aber der Ritt durch Anlane, nach Anduran und über den Car Criagar hatte Mensch und Tier verändert. Sein Fell hatte den Glanz verloren, seine Muskeln wirkten schlaff. Er erinnerte sich, wie es den Kopf hochgeworfen und mit den Hufen gestampft hatte, als er an jenem Morgen an Wains Seite durch das Burgtor von Hakkan geritten war. Das Feuer war nun so gut wie erloschen.
    »Wir sind nicht mehr, was wir waren, stimmt’s?«, raunte er ihm ins Ohr.
    Igris lenkte sein eigenes Pferd neben das Tier von Kanin.
    »Die anderen sind angekommen, Herr«, meldete der Leibwächter.
    Kanin wandte sich um. Tatsächlich trafen die restlichen Krieger ein, ein weit auseinandergezogener Trupp von etwa vierzig Mann. Sie waren nass geschwitzt und am Ende ihrer Kräfte. Ihre Pferde stolperten vor Erschöpfung.
    »Noch kein Zeichen von dem Boten, den wir vorausschickten?«, fragte Kanin.
    »Nein. Aber er kann höchstens eine Stunde oder zwei vor uns sein.«
    »Gut. Wir rasten hier, aber nur so lange, bis die Pferde gefüttert und getränkt sind. Ausruhen können wir später, wenn diese Jagd erfolgreich abgeschlossen ist.«
    Igris nickte kurz.
    Kanin stieg ab und führte sein Pferd fürsorglich zu einem Fleck, auf dem üppiges Gras wuchs. Ihnen war am Vortag nicht nur der Proviant für die Männer, sondern auch der Hafer ausgegangen, den sie für die Tiere mitgenommen hatten. Was immer im Lauf des nun angebrochenen Tages geschah, sie mussten in Koldihrve alles besorgen, was sie für den Rückweg über den Car Criagar benötigten. Kanin fragte sich, was sie wohl vorfänden, wenn sie nach Anduran zurückkehrten. Wain kam ihm in den Sinn, aber er verdrängte den Gedanken an sie. Sie würden sich bald wiedersehen.
    Sein Pferd rupfte gierig an den Grasbüscheln. Der Regen wurde stärker. Dicke Tropfen klatschten auf sie herunter. Kanin fröstelte. Ihm war der saubere, trockene Schnee seiner Heimat lieber als diese nasskalte Art von Winter.
    »Herr«, rief jemand, »Waldelfen!«
    Kanin ging hinter seinem Pferd in Deckung und spähte in die Richtung, in die der Krieger deutete.
    Die Kyrinin kamen aus einem Waldstück und rannten auf die flachen Felder und Sümpfe des Flusstals hinaus, erst zehn, dann zwanzig, dann immer mehr. Sie wälzten sich in einer breiten Woge über Schilf und Ufergestrüpp auf das Mündungsgebiet des breiten Dihrveflusses und die Stadt Koldihrve zu.
    »Sind

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