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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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ruhig und legte dem jüngeren Mann eine Hand auf den Arm.
    Roaric fuhr herum und hätte um ein Haar eine neue Flut von Schimpfworten losgelassen. Als er Taim erkannte, mäßigte er sich und atmete tief durch.
    »Tut mir leid«, murmelte er. »Ich hielt Euch für einen von Gryvans Lakaien.«
    »Begleitet mich«, sagte Taim. »In meinem Zelt stehen Wein und gutes Pökelfleisch bereit. Ihr seid herzlich eingeladen, das Mahl mit mir zu teilen.«
    Mit einem letzten giftigen Blick über die Schulter ließ sich Roaric vom Schauplatz des Streits wegführen. Nur langsam wich die Hitze aus seinen Wangen.
    »Ich weiß, dass es keinen Sinn hat«, sagte er, wie um einem Tadel von Taim zuvorzukommen. »Aber sie behandeln uns immer so von oben herab. Dieser Kerl hat die Essensrationen für meine Verwundeten gekürzt. Er behauptet, alle würden gleich behandelt, aber die Haig-Krieger sehen mir alles andere als hungrig aus.«
    »Ich kann etwas von meinen Vorräten entbehren«, entgegnete Taim ruhig. »Wir haben sie für den Rückmarsch gehortet.«
    »Ich wollte nicht betteln«, sagte Roaric.
    »Ich weiß, aber mein Angebot kommt von Herzen. Lannis und Kilkry halten zusammen, das wisst Ihr doch.«
    »Ich danke Euch.«
    Eine Weile gingen sie schweigend weiter. Ein kleiner Kreis von Zuschauern hatte sich um zwei Männer gebildet, die sich im Gras wälzten und halb im Spaß aufeinander einschlugen. Roaric und Taim machten einen Bogen um die Raufbolde. Die Umstehenden johlten und forderten mehr Einsatz.
    »Zumindest sind die Kämpfe vorbei, nun, da Igryn gefangen ist«, murmelte Taim.
    »Das ist wahr.« Roaric warf Taim einen flackernden Blick zu. »Ich habe mehr als tausend Krieger meines Vaters verloren.«
    »Ihr habt sie nicht verloren. Sie wurden Euch genommen.«
    »Dennoch fühle ich mich schuldig. Ich war nicht gut genug. Mein Vater wird entsetzt sein, wenn er feststellt, dass nur so wenige von uns heimkehren. Wenn er an meiner Stelle Gerain geschickt hätte …«
    »Lheanor hat Euch und nicht Eurem Bruder die Führung des Heers anvertraut«, unterbrach ihn Taim. »Er wird Euch nicht die Schuld an den Geschehnissen geben, und Ihr solltet das auch nicht tun. Hätte er den Titelerben in die Schlacht geschickt, wäre der Ausgang genau der gleiche gewesen. Dafür hätte Gryvan schon gesorgt.«
    »Ja, ich weiß. Im Grunde meines Herzens weiß ich es. Aber welch ein beklagenswerter Zustand! Meine Familie stellte einst den Than der Thane. Heute müssen wir den Launen von Gryvan oc Haig gehorchen. Wir buckeln und beugen uns und tanzen nach seiner Pfeife. Anderthalb Jahrhunderte lang standen wir an der Spitze der Wahren Geschlechter. Es waren die Thane von Kilkry, die sich dem Schwarzen Pfad entgegenstellten und die Häuser zusammenhielten, als Gyre alles zu zerstören drohte. Und es ist Lannis, das seit mehr als hundert Jahren unsere Grenzen verteidigt, Taim. Aber was schert das Gryvan? Nichts. Ihm ist nur wichtig, dass Haig alle anderen Häuser beherrscht.«
    »Roaric …«, begann Taim begütigend.
    »Ihr wisst, dass ich recht habe. Ayth und Taral sind so eng mit Haig verflochten, dass man sie kaum noch als unabhängige Häuser bezeichnen kann. Nun ist Dargannan besiegt, und Gryvan schickt sich an, uns zu unterjochen. Er wird sich eines Tages mit der Königskrone schmücken, und wenn nicht er, dann zumindest sein Sohn. Wartet nur ab …«
    »Ich kann nicht sagen, was die Zukunft bringt. Was mich heute beschäftigt – was auch Euch beschäftigen sollte –, ist die Sorge um die Männer, die diesen Krieg überlebt haben. Ich will sie so rasch wie möglich zurück in ihre Heimat führen. Sollen Croesan und Lheanor entscheiden, was danach geschieht. Der Winter ist da, Roaric. Bringt Eure Krieger heim an ihre warmen Feuer, in ihre warmen Betten, in die Arme ihrer liebenden Frauen. Eurem Zorn könnt Ihr später Ausdruck verleihen.«

    Bei Einbruch der Nacht legte sich Frost über das Tal. Die Luft war kristallscharf. Trotz der bitteren Kälte wurde fast überall im Lager gefeiert. Kleinere Gruppen von Kämpfern scharten sich um gleißende Feuer, vergaßen ihre müden Glieder, sangen, lärmten und tranken ausgiebig. Hier und da tanzten Frauen, die bis von Varmouth im Tross des Heers mitgezogen waren. Hunde jagten einander, sprangen bellend von Feuer zu Feuer und zwängten sich durch einen Wald von Beinen. Obwohl es noch früh war, sah man hier und da zusammengesunkene Gestalten am Boden liegen, Männer, die betrunken aus dem Kreis um ein Feuer

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