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Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition)

Titel: Winterwende: Die Welt aus Blut und Eis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Ruckley
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gegen den Bauch gepresst, und hustete rasselnd.
    »Kylane …«, murmelte Orisian. Feuer wogte ihm durch die Brust, und er konnte nicht weitersprechen. Rothe hörte ihm nicht zu.
    An die Schulter seines Leibwächters gelehnt, sah Orisian, dass Anyara verschwunden und die Tür zum Wohnturm verschlossen war. Er schaute sich um. Der Kampf war so gut wie vorbei. Über herumliegende Leichen stolpernd, lieferte eine Handvoll Lannis-Leute dem Gegner in der Nähe der Schlafräume ein verzweifeltes Rückzugsgefecht. Zur Linken hatte ein dichter Kordon von Inkallim Kennet mit seinen wenigen Verteidigern – darunter Inurian – eingekesselt und bis an die Burgmauer zurückgedrängt. Jetzt erst kam Orisian zu Bewusstsein, dass Rothe den Platz an der Seite seines Vaters verlassen hatte, um ihm beizustehen – ein Gedanke, der zwiespältige Gefühle in ihm hervorrief.
    Er warf einen Blick zum Burgtor. Wann kamen die Soldaten der Stadtgarnison, um sie zu retten? Wenn dies kein schrecklicher Albtraum war, dann musste Hilfe im Anmarsch sein. Und tatsächlich eilten vom Damm her Gestalten auf das Torhaus zu, aber es waren keine Lannis-Kämpfer, sondern noch mehr Inkallim, manche zu Pferd und an ihrer Spitze ein Mann, der die Ereignisse noch unwirklicher erscheinen ließ – ein Na’kyrim . Viel jünger als Inurian, größer und gelenkiger, aber unverkennbar ein Abkömmling zweier Rassen.
    Dann zerrte Rothe ihn quer über den Hof auf die Stallgebäude zu.
    »Der Wohnturm ist verschlossen!«, stieß Rothe hervor. »Wir müssen Euch von hier wegschaffen.«
    »Vater …«, keuchte Orisian.
    Inkallim kamen auf sie zu. Rothe stieß Orisian in einen der Pferdeställe. Er fiel der Länge nach ins Stroh und stieß dabei einen Wassereimer um. Neben dem Stallgeruch stieg ihm beißender Qualm in die Nase. Irgendwo in der Nähe war ein Feuer ausgebrochen. Die Pferde stampften und schnaubten. Ein Junge lag im Stroh und starrte Orisian mit leeren Augen entgegen – Bair. Ein Hieb hatte eine Gesichtshälfte gespalten und den Wangenknochen freigelegt. Orisian kam mühsam auf die Beine und lehnte sich an die Flanke eines Pferds, das sich in Panik aufbäumte.
    Als er in den Hof hinausspähte, sah er gerade noch, wie Inurian zu Boden ging, von einem Schwertgriff an der Schläfe getroffen. Der neu eingetroffene Na’kyrim preschte heran und schrie: »Lasst ihn am Leben! Der gehört mir.«
    Der letzte Mann der Leibgarde, der noch bei Kennet war, warf sich vor seinen Herrn, um einen Schwerthieb abzufangen, und büßte seine Treue mit dem Leben. Mit wutverzerrtem Gesicht schlug Kennet einen weiteren Inkallim nieder, ehe er überwältigt und an die Mauer gedrängt wurde. Mehrere Kämpfer hielten ihn fest, pressten ihm die Arme gegen den Stein und entrissen ihm das Schwert. Er trat nach seinen Angreifern, aber sie waren außer Reichweite.
    Orisian rannte los, obwohl er wusste, dass er keine Waffe besaß. Dicht vor ihm scheute ein Pferd und versperrte ihm den Weg, aufgestört von Rothe, der mit der flachen Klinge seines Schwerts auf die Tiere einschlug und sie aus dem Stall auf ihre Verfolger zutrieb. Dann fuhr der Hüne herum, packte Orisian mit dem freien Arm und schleppte ihn nach hinten in die Schatten des Stallgebäudes.
    »Nein!«, hörte sich Orisian schreien.
    Über die Schulter des Gardesoldaten hinweg sah er, wie sein Vater den Kriegern, die ihn festhielten, Flüche entgegenschleuderte. Einer der Inkallim trat vor und rammte sein Messer tief in Kennets Brust. Orisian stöhnte laut auf. Dann war ihm die Sicht verdeckt, als Rothe ihn zur Nebenpforte hinter den Ställen zerrte. Er versuchte sich aus dem Griff seines Leibwächters zu befreien. Rothe entriegelte das Tor und schob Orisian durch den kurzen Tunnel zum äußeren Portal.
    Sie tauchten am Gestade des Meers auf, wo es weder Rauch noch Licht gab. Eiskalt schlug ihnen die Nachtluft entgegen. Orisian stolperte über die Felsen, rutschte aus und stürzte. Schwankend kam er auf die Beine. Dann war Rothe wieder neben ihm, packte ihn an der Schulter und steuerte ihn auf den Landesteg hinaus, wo Inurians Boot vertäut war.
    »Nein!«, keuchte Orisian. »Wir müssen zurück!«
    Rothe hob ihn ins Boot und warf sein Schwert hinterher. Vor Erschöpfung keuchend, löste er das Tau und versetzte dem Kahn einen Stoß.
    Unsicher stand Orisian auf den schaukelnden Planken.
    »Rothe, nein!«, rief er.
    Im gleichen Augenblick spürte er einen heftigen Schlag. Seine Beine wurden taub, und er brach zusammen.

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