Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Winzertochter (Contoli-Heinzgen-Krimi)

Winzertochter (Contoli-Heinzgen-Krimi)

Titel: Winzertochter (Contoli-Heinzgen-Krimi) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mona Misko
Vom Netzwerk:
innere Hitze, die langsam aus dem Bauch hinauf stieg und ihr bis ins Gesicht schoss. Für Sekunden war sie paralysiert. Immer dasselbe, dachte sie. Wenn er sich näherte, beschlich sie im ersten Moment Panik. Sofort raste die Frage durch ihren Kopf, ob sie alles erledigt hatte? Ob sie es gut genug gemacht hatte? War er zu zeitig oder sie zu spät? Leonie senkte für Sekunden die Lider, hatte ein Bild vor Augen. Sie würde alles in die Luft sprengen. Sie würde dieses verhasste Haus in Schutt und Asche legen. Die Weinberge zu Tal donnern lassen. Sie würde, sie würde. Sie könnte ihn einfach töten. Sie lachte bei den geglaubten Möglichkeiten laut über sich selbst. Ob ihr das tatsächlich gelingen würde? Der Reiz, es auszuprobieren, brannte ihr in manchen Begebenheiten wie Feuer unter den Nägeln. Dann spürte sie, wie ihr Herzschlag sich auf eine Minimumfrequenz zurückschraubte und unter ihrer Schädeldecke es erst sachte, dann stetig steigend anfing zu hämmern, als sollten alle anderen Körperfunktionen übertrumpft werden. Als würde sich ihr Leben nur noch im Kopf abspielen und der Rest des Körpers ruhiggestellt, um die sich aufbauende Energie in ihrem Kopf nicht zu dämmen. Doch jedes Mal, wenn sie kurz davor stand, hielt sie etwas in ihrem Inneren davon ab. Es waren nicht die Familienbande. Sie holte Luft und stieß sie mit einem verächtlichen Auflachen aus. Sie fühlte sich ganz und gar nicht verbunden. Weder mit ihrem Elternhaus noch mit dem Weingut. Oft war etwas Betäubendes in ihr, als würde sie nicht hierher gehören, als wäre sie fehl am Platz. Sie konnte sich an dieser einzigartigen Landschaft um sie herum nicht erfreuen, denn seit dem Tod ihrer Mutter war all dies um sie herum mit Leid verbunden. Mit einem bedrückenden Gefühl bearbeitete sie die restlichen Rebenstöcke. Trotz des Versprechens, das sie damals ihrer Mutter gegeben hatte, konnte Leonie häufig nicht widerstehen, es heimlich auszuprobieren. Mal hatte sie einen Stuhl verrückt, mal das Fenster in ihrem Zimmer geschlossen, um nicht hingehen zu müssen, mal den Tisch wackeln lassen. „Nur Spiele, Mama“, hatte sie sich hinterher zugeflüstert. Irgendwann war Leonie losgelaufen und hatte sich Literatur über dieses Thema beschafft, aber bald überdrüssig geworden, darin zu lesen, weil sie vieles nicht verstanden hatte. Seit Mutters Tod jedoch fühlte sich Leonie nicht mehr an ihr Versprechen gebunden.

2
     
    Herbert Rosskamp steuerte gemächlich seinen Kleinwagen, den er extra für die schmalen Sträßchen und landwirtschaftlichen Wege in den Weinbergen angeschafft hatte, den beliebten Rotweinwanderweg entlang. Er schlängelte sich in 34 Kilometer Länge von Altenahr bis nach Bad Bodendorf durch die steilen Weinbergsterrassen. Die Großlage Klosterberg beherbergte vierundvierzig Weinlagen, teilweise in zerklüfteten Felsspalten und extremen Steilhängen. Mit ihren 520 Hektar bestockter Rebfläche gehörte das Ahrtal zu den kleineren der dreizehn deutschen Weinanbaugebiete.
    Die Familie Rosskamp, die nur noch aus Leonie und ihm bestand, besaß 12,8 Hektar Weinlagen von Mayschoß bis Bad Neuenahr. Herbert Rosskamp musste an seinen Bruder Johannes denken. Im Gegensatz zu ihm war er schon immer ein Tagträumer gewesen. Ein Traumtänzer, der in die weite Welt wollte, fernab der Weinberge des Ahrtals. Das war ihm zu eng. Kurz nach Leonies Taufe war er fortgegangen, deswegen konnte Herbert Rosskamp sich den Zeitpunkt gut merken. Und seitdem hatte er wenig von seinem Bruder gehört. Wie es ihm wohl geht ?, überlegte Herbert. Zugern würde er es wissen. Ob er immer noch in Neuseeland weilte? Seine letzte Karte vor fünf Jahren war von dort gekommen, ohne Adressenangabe, wie bei all den seltenen anderen Lebenszeichen auch. Herbert schob die Gedanken beiseite. Es war sinnlos, über seinen Bruder nachzudenken. Er wusste nicht einmal, ob er überhaupt noch lebte.
    Während seiner gemütlichen Fahrt ließ er seine Blicke über die umliegenden Weinberge schweifen. Jetzt war die Zeit der Weinblüte. Er sah viele seiner Winzerkollegen in den Rebhängen arbeiten. Hier und da winkte ihm jemand zu, was Rosskamp mit einer großmütigen Geste seiner erhobenen Hand erwiderte. Er kannte sie alle, seine lieben Kollegen, und er schmunzelte. Er wusste, dass die meisten von ihnen ihm nicht wohl gesonnen waren, denn er war erfolgreicher als sie. Und er besaß den letzten bewilligten Aussiedlerhof hoch oben in den Weinbergen über Walporzheim. Vor mehr als

Weitere Kostenlose Bücher