Winzertochter (Contoli-Heinzgen-Krimi)
fünf Jahren, nachdem seine Eltern sich aufs Altenteil zurückgezogen hatten, hatte er den Rosskamphof in die heutigen modernen und spektakulären › Rosskamps Weinterrassen« umbauen. Froh und stolz darüber dachte er daran, dass seine Eltern dieses gelungene Ereignis noch erleben durften. Sie verstarben kurze Zeit später. Für Rosskamp war der Umbau ein Kunstwerk geworden. Völlig ohne Ecken, Kanten und rechten Winkeln in geschwungenen Formen gehalten und außen wie innen mit einem frischen gelben Anstrich versehen. Weit über die Grenzen des Ahrtals hinaus standen Rosskamps Weinterrassen für ein außergewöhnliches Wanderlokal und ein begehrtes Ausflugsziel. Doch was besonders viele Neider auf den Plan rief: Seine Weinterrassen lagen direkt am Rotweinwanderweg, was ihm fast ganzjährig Gäste bescherte.
Herbert war mit Leib und Seele Winzer. Jedenfalls glaubte er das. Wenn er auch ein Schwein war in der Art, wie er Geschäfte tätigte und seine Leute drillte. Ihm war bekannt, dass seine Winzerkollegen ihn auch so betitelten. Aber er war ein erfolgreiches Schwein. Rosskamp reckte das Kinn. Mit seinen fünfundvierzig Jahren war er immer noch ein attraktiver Mann, ohne Bauch und Glatze. Er achtete auf sein Äußeres. Seine schwarzen, mit grauen Strähnen durchzogenen Haare trug er kurz geschnitten, was ihm ein jugendliches Aussehen verlieh. Jedoch auf die lästige Brille konnte er nicht verzichten. Er hatte es mit Kontaktlinsen versucht, was ihm allerdings nach kurzer Zeit zuwider wurde. Ja, er achtete auf sich. Und er kannte den Grund. Leonie. Noch hasste und verachtete sie ihn. Und sie hatte Angst vor ihm. Das ließ ein leises Kribbeln in seinem Bauch aufkommen. Schmetterlinge, er verspürte Schmetterlinge im Bauch. Bald würde er mit ihr reden und sie über alles aufklären. Erst jedoch musste er ein wichtiges Gespräch hinter sich bringen. Im Kopf setzte er an, einen Disput zu führen, und egal, wie er in Wirklichkeit ausgehen würde, niemals war er bereit, die Teillage Pfaffenberg wieder z urückgeben. Es würde ein schwieriges Gespräch werden. Vor allem zu diesem Zeitpunkt. Jeder ist sich selbst der Nächste, dachte Rosskamp, trotzdem fühlte er sich innerlich noch nicht zu dieser Auseinandersetzung bereit. Er dachte wieder an Leonie. Sie legte in letzter Zeit eine zaghafte Aufmüpfigkeit an den Tag. Aber sie würde nie wagen, auszubrechen. Seine Gedanken reisten weit zurück. Er konnte sich nur noch schwach an Leonies Mutter Elene erinnern. Anfangs hatte sie ihn interessiert. Sie war eine Schönheit gewesen, aber nach Leonies Geburt mutierte sie zu einer kalten Schönheit und zog sich zurück wie eine Auster. Er hatte natürlich gewusst, warum, obwohl Elene in ihrer fast zwölfjährigen Ehe nie ein Wort darüber verloren hatte. Nach Leonies Geburt hatte er das Kind zunächst ignoriert. Aber mit der Zeit hatte es sich zu einem süßen Fratz entwickelte mit kastanienbraunen Locken und derart ausdrucksvollen Augen, dass er sich in die Kleine vernarrte. Heute war sie ein Ebenbild ihrer Mutter. Leonie, dachte er. Das leise Kribbeln in seinem Bauch steigerte sich zu einem heißen Prickeln der Erregung. Er näherte sich seinem Lieblingsweinberg, in dem sie arbeitete.
Herbert schaltete den Motor aus und lies den Wagen die letzten Meter rollen. In der Sonne sah er ihre weiße Kappe leuchten. Darunter hatte sie ihre dicken Locken gezwängt, die im Laufe ihres Heranwachsens die Farbe verändert hatten und jetzt in natürlichen Strähnchen von einem Kastanienbraun bis hin zu einem satten Kupfer funkelten. Einzelne Haarsträhnen kringelten sich seitlich ihrer Ohren und im Nacken unter der Kappe hervor. Sie schien in ihre Arbeit vertieft an der letzten oberen Weinrebe und hatte anscheinend den Wagen nicht heranrollen hören. Erst, als er die Wagentür zuschlug, traf ihn ihr Blick. Herbert grinste innerlich. In ihren Augen las er diesen sanften Schrecken, nicht gleichzusetzen mit dem des Entsetzens. Wie schon Hunderte Mal zuvor dachte er, wie unsagbar schön sie war. Vor allem, wenn ihr diese Angst ins Gesicht sprang und das tiefe dunkle Braun ihrer Iris mit dem kupferfarbenen Ring darum ihn stets aufs Neue erotisierte. Schon seit langer Zeit hatte sie ihn verhext.
„Vater, schon da?“
Eine seltsame Unsicherheit lag in ihrer Stimme. Rosskamp bemerkte, wie ihre Finger hastig zur Bluse fuhren, die Knöpfe schlossen und die Verknotung unter der Brust aufzerrten, bis die Bluse locker über ihre Hose fiel. Herbert
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