Wir beide, irgendwann
vergräbt die Hände in den weichen Taschen ihres Bademantels. »Wir beide haben heute … sehr viel erlebt. Wir sollten uns vergewissern, dass immer noch alles in Ordnung ist.«
Womit sie natürlich recht hat. Emma hat Graham den Laufpass gegeben und auf dem Gang mit Cody geredet. Anna Bloom hat ihre Telefonnummer in mein Heft geschrieben. Sydney Mills hat mich in ihrem Auto nach Hause gefahren. Jetzt bin ich nicht nur neugierig, wie sich das alles auf Emmas Zukunft ausgewirkt hat, sondern auch ein bisschen nervös, was mein eigenes Leben betrifft.
Ich werfe mir den Rucksack über die Schulter und kicke das Skateboard in meine Hand. »Okay, lass uns einen Blick in deine Zukunft werfen«, sage ich. »Meine eigene können wir außen vor lassen.«
»Warum das denn?« Emma wirft mir einen fragenden Blick zu. »Willst du denn nicht wissen, was dein heutiger Ausflug für deine Zukunft bedeutet?«
Das Windspiel auf Emmas Veranda klimpert lautstark.
»Dass Sydney mich nach Hause gefahren hat, ändert gar nichts«, sage ich und lehne mein Skateboard an das Geländer.
Emma schüttelt den Kopf und blickt mir in die Augen. Ihre Botschaft ist eindeutig: Das werden wir ja sehen.
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Als wir in ihr Zimmer kommen, schnappt sich Emma ein paar Klamotten und verschwindet den Flur hinunter. Kurz darauf kehrt sie mit einer engen weißen Shorts und einem roten T-Shirt mit V-Ausschnitt zurück. Einzelne Locken umspielen ihr Gesicht, doch ihre Schultern sind angespannt.
Am Fußende ihres Betts stelle ich meinen Rucksack ab. »Warum warst du vorhin eigentlich im Bademantel?«, frage ich sie.
Emma sitzt am Computer und hat mir den Rücken zugekehrt. »Ich wollte duschen, weil Kellan und ich gerade am See waren. Sie brauchte jemand zum Reden und als treue Freundin stand ich ihr natürlich zur Verfügung.«
Will sie etwa andeuten, dass es mit meiner Treue nicht allzu weit her ist?
»Tut mir leid, aber ich kann mich nicht erinnern, dass auch du mit jemand reden wolltest.«
»Ich wollte schon den ganzen Tag mit dir reden!«, entgegnet Emma. »Aber entweder hast du mit irgendwelchen Mädels geflirtet oder dich in der Lunchpause mit mir herumgestritten.«
Emma ist die letzte Person, von der ich mich wegen meines Flirtens belehren lasse. Aber es stimmt schon, dass ich sie den ganzen Tag noch nicht gefragt habe, wie es ihr geht. Wir wollten beide so vieles herausfinden, und ich war komplett mit mir selbst beschäftigt.
Ich stehe neben ihr, als sie das Wort »Freunde« anklickt.
Sie scrollt über eine ganze Reihe von Fotos und verlangsamt das Tempo, als sie die Namen erreicht, die mit C beginnen. Auf Cindy Freeburg folgt Corbin Holbrook, was Emma ein tiefes Seufzen entlockt. Auf welchen Namen sie gehofft hatte, liegt auf der Hand.
Ich sage Emma, ich müsste mal auf die Toilette. Mehrere Dosen Kräuterlimo zeigen ihre Wirkung, außerdem habe ich keine Lust, mir ihre Klagen über eine Zukunft ohne Cody Grainger anzuhören.
Da das untere Badezimmer immer noch renoviert wird, durchquere ich das Schlafzimmer von ihrer Mom und Martin. Als ich das letzte Mal hier war, muss ich noch in die Grundschule gegangen sein. Vermutlich hatte ich mir damals einen Splitter zugezogen oder mich verletzt, als ich über einen Maschendrahtzaun geklettert bin. Jedenfalls erinnere ich mich daran, dass ihre Eltern dort Heftpflaster und Desinfektionsmittel aufbewahrten.
Vor der Badezimmertür hängt ein großer rechteckiger Bilderrahmen mit zahlreichen Fotos, unter anderem von mir, doch scheinen keine weiteren Bilder hinzugekommen zu sein, seit Emma die Highschool besucht. In der unteren linken Ecke ist ein Foto von Tyson, Kellan, Emma und mir zu sehen. Wir sind auf dem Weg zu einer Schulparty und quetschen uns auf der Rückbank eines Autos zusammen. Tyson und ich tragen billige Ansteckkrawatten, während sich Emma und Kellan wellenförmige Fönfrisuren zugelegt haben. Und wie jung wir alle aussehen!
Ich weiß noch, wie Emma und Kellan inmitten einer großen Mädchengruppe getanzt haben. Tyson und ich hingen die meiste Zeit unter einem Basketballkorb rum, bis ein Mädchen einen von uns auf die Tanzfläche gezerrt hat. Der letzte Song dieses Abends war »End of the Road« von Boyz II Men, und ich habe Emma gefragt, ob sie mit mir tanzt. In der ersten Hälfte des Songs berührten meine Hände kaum ihre Hüften, während sie ihre Hände auf meine Schultern gelegt hatte, und wir starrten angestrengt auf unsere Schuhe. Aber dann zog ich sie ein wenig näher an
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