Wir Ertrunkenen
eigentlich die Heuer unter der englischen Flagge sei.
Drei Pfund und achtzehn Shilling wöchentlich, dazu ein Pfund und zehn Shilling als Kostgeld, antwortete der Offizier.
Der zweite Ingenieur rechnete es rasch aus. Er warf einen Blick auf die restliche Besatzung und zuckte die Achseln. Sie konnten auch rechnen. Die Heuer betrug ein Viertel von dem, was sie bisher erhalten hatten. Aber es gab ja auch keinerlei Familien mehr zu versorgen. Von ihnen waren sie auf unbestimmte Zeit abgeschnitten.
« Don’t worry, you will be home for Christmas», behauptete der Offizier, der sich ihre Gesichter genau angesehen hatte.
Sie vergaßen zu fragen, in welchem Jahr.
Ihnen wurde befohlen, die Dannevang grau anzustreichen, wie einen Wintertag auf der Nordsee. Nicht einmal die glanzlackierten Eichenholztüren und die Fensterrahmen am Steuerhaus waren davon ausgenommen. Es war ihr Schiff gewesen. Sie hatten Rost geklopft und jeden Quadratzentimeter lackiert, den schwarzen Rumpf, der unter der Wasserlinie rot war, die weißen Aufbauten, die roten und weißen Streifen, die sich wie ein Band um den Schornstein zogen. Bei den weißen Buchstaben am Vordersteven hatten sie das Schiff mit dem Pinsel gestreichelt.
Die Dannevang war von ihnen so sauber gehalten worden, dass man sich in Landgangskleidung an Bord bewegen konnte, auch wenn sie eine Ladung Kohle gelöscht hatten. Sie führten den Dampfer im alten Stil der Segelschiffe, wie sie es nannten, mit gescheuertem Deck und gewaschenen Schotten. Es war eine saure und harte Arbeit, aber es lag auch ein gewisser Stolz darin. Nun verschwand ihnen die Dannevang unter den Händen. Fast schien es, als würde das Schiff in dem grauen Wintermeer versinken, dessen Farbe sie zu verwenden hatten.
Marstal war ehemals der Heimathafen der Dannevang gewesen. Klara Friis hatte den Dampfer besessen und mehrere Jahre außer Dienst gestellt, bevor sie ihn einem Reeder in Nakskov verkaufte. Der Kapitän und der erste und zweite Steuermann stammten aus Marstal. Sie kamen aus einer Seemannsstadt, die über keine eigenen Schiffe mehr verfügte. Stattdessen waren sie zu einer Art Aristokratie der dänischen Handelsflotte geworden. Überall gab es Marstaler, und immer als Steuermänner oder Kapitäne auf der Kommandobrücke. Fuhren sie als Matrosen, dann lag es lediglich an ihrer Jugend, dass sie keine höhere Position bekleideten. Daniel Boye, ein entfernter Nachkomme von Bauern-Sofus, war auf dem Schiff schon als Kapitän gefahren, als es sich noch im Besitz der Familie befand und unter dem Namen Energi lief.
Damals hatte er zu denjenigen gehört, die Isaksen empfohlen hatten. Und er war am Kai, als Isaksen nach seiner Niederlage die Fähre nach Svendborg nahm.
«Du erinnerst dich nicht mehr an ihn», sagte er zu Knud Erik, «aber er erinnert sich noch an deine Mutter.»
Knud Erik schüttelte sich. Die Mutter war ein heikles Thema. Seit zehn Jahren hatte er sie weder gesehen noch mit ihr gesprochen. Isaksen kannte er inzwischen jedoch gut. Er hatte sich seine Liebe zu den Marstalern bewahrt und versperrte ihnen nie seine Tür, wenn eine Reise sie nach New York führte. Außerdem war Isaksen mit einem Mädchen aus Marstal verheiratet. Es war Fräulein Kristina.
In New York hatte Isaksen, dieser Gentleman, am Pier gestanden und sie erwartet. Klara Friis hatte ihm geschrieben. «Ich weiß, dass Sie mir nichts schuldig sind», hatte in dem Brief gestanden, «aber ich halte Sie doch für einen Mann mit Verantwortungsgefühl.»
Isaksen war es. So sehr, dass er Kristina Bager schließlich heiratete. Knud Erik hatte sie hin und wieder besucht. Isaksen war ein guter Vater, aber eigene Kinder bekamen sie nicht. Knud Erik wusste nicht recht, ob sie zusammen glücklich waren. Er hatte seine Zweifel, was Isaksens Verhältnis zu Frauen anging. Isaksen freute sich über die lebenspraktische Kristina und hatte sicher allen Grund dazu. Doch soweit Knud Erik es beurteilen konnte, freute er sich nicht in der Weise, wie ein Mann sich über seine Frau freuen sollte. Allerdings hatte er nie nachgefragt, obwohl sein Verhältnis zu Kristina Isaksen eigentlich ein vertrautes war.
«Mein kleiner Ritter», nannte sie ihn wie eine große Schwester, obwohl er ihr längst über den Kopf gewachsen war.
Knud Erik hatte sich in New York aufgehalten, als Kristinas Tochter konfirmiert wurde. Es war ein eigenartiges Erlebnis, in der protestantischen Kirche an der Upper East Side zu sitzen und die vierzehnjährige Klara zu
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