Wir Ertrunkenen
gejagt hatte, eine schwedische Fregatte mit dreißig Kanonen an Bord, obwohl er selbst auf der Løvendals Galej nur über zwanzig verfügte. Wir wussten alles über seine Großtaten bei Dynekilen, Marstrand, Göteborg oder Strömstad, wo so viele seiner tapferen Männer starben, während er stets mit dem Leben davonkam, obwohl er sich selbst nicht schonte.
«Diesmal nicht!», riefen wir und dachten daran, wie ihn am Strand bei Torrekov in Schonen drei schwedische Dragoner umringt hatten und er sich allein durchschlug, um dann mit einem scharf geschliffenen Degen im Mund durch die Brandung zu schwimmen.
Wir dachten daran, wie er fast einen ganzen Tag lang gegen einen englischen Kapitän gekämpft hatte, mit nur einer einzigen Pause zwischen Mitternacht und Morgengrauen, bis er schließlich dem zusammengeschossenen Feind mitteilen ließ, dass ihm das Pulver ausgegangen sei.
Und dann bat er darum, sich ein wenig Pulver leihen zu dürfen, um den Kampf fortzusetzen.
Der englische Kapitän kam mit einem Glas Wein in der Hand an Deck und brachte ein siebenfaches Hurra auf seinen dänischen Gegner aus. Tordenskjold holte sich auch einen Wein, und dann brachen sie in gegenseitige Hurrarufe aus.
Das gefiel uns, aber am besten gefiel uns seine Bemerkung, als in schwerem Wetter der Fockmast der Løvendals Galej über Bord ging und er mit seinem «He, es geht doch prächtig!» den Sturm übertönte und seinen Männern neuen Mut gab.
Wir gingen über die Landzunge nach Hause. Auf der anderen Seite lag das Wasser, das wir das kleine Meer nannten. Weit entfernt konnten wir die an den schwarz geteerten Pollern vertäuten Schiffe im Hafen sehen. Es waren ein paar von den alten Beltbooten, zwei Frachtsegler, eine Galeasse und der Gaffelschoner Johanne Karoline, den wir normalerweise nur «die Unvergleichliche» nannten. Mit der Kennermiene von Erwachsenen einen Schiffstyp vom anderen zu unterscheiden, dieses Alphabet kannten wir, lange bevor Isager begann, uns die Buchstaben in den Kopf zu prügeln. Wir badeten auch im Hafen und stachelten uns an, immer tiefer zu tauchen, bis hinunter zu den mit Muscheln bewachsenen Kielen der Schiffe. Die Hände voller Muschelschalen, tauchten wir wieder auf.
Hinter dem Hafenpier erhob sich die Stadt, der viereckige Kirchturm mit seinem Dachreiter, dessen schlanke Spitze sich wie ein Mast ohne Segel und Takelage in den Himmel reckte. In diesem Moment fingen die Kirchenglocken ein lang gezogenes Lebewohl zu läuten an. Ein Leichenzug kam die Kirkestræde entlang. Ganz vorn gingen Mädchen, die Blumen auf das Pflaster streuten. Es war die alte Ermine Karlsen aus der Snaregade, die ihren Mann und ihre beiden Söhne überlebt hatte. Ob die Glocken eines Tages auch für uns läuten wurden, wussten wir nicht. Der Tod war uns gewiss, aber ertranken wir im Meer, würden wir niemals zum Friedhof getragen werden.
In der ersten Woche nach den Sommerferien ignorierte uns Lehrer Isager. In seinen Bewegungen und Worten lag eine Art schläfrige Routine, als hätte er, ohne richtig wach zu sein, das Bett verlassen und würde noch immer in den Resten eines angenehmen Traums schweben. Mit Schlafrock und Pantoffeln bekleidet, ging er von der Lehrerwohnung hinüber zur Schule, wobei er die Füße nachzog. In der Gesäßtasche seines Schlafrocks lag der Tampen, zusammengerollt wie eine Kreuzotter, die in der Sonne döst.
Isager war seit achtundzwanzig Jahren Lehrer, und unter unseren Vätern gab es niemanden, der den Biss der Kreuzotter nicht zu spüren bekommen hätte. Viele von uns trugen die Narben noch immer. Sie waren wie eine Tätowierung, die wir bekamen, bevor wir zu Männern wurden.
Das schöne Wetter hielt sich bis in den September, und genauso verhielt es sich mit Isagers Güte. Er fragte uns so gut wie nie ab, schlug uns nur selten und niemals so hart, dass Tränen oder Blut flossen. Der Tampen, der berüchtigte, infame Tampen, blieb in der Gesäßtasche. Er las aus Balles Lehrbuch vor und unterschied nicht zwischen denen, die gerade erst eingeschult waren, und denen, die bereits fünf Jahre in der Schule zugebracht hatten. Er las uns aus den ersten drei Kapiteln vor, über Gott und seine Eigenschaften, über Gottes Taten und die menschliche Verderbnis durch die Sünde, doch als er zum vierten Kapitel kam, das von der Erlösung des Menschen durch Jesu Christi Auferstehung handelte, hörte er auf und erklärte, dass wir diese Stelle jetzt nicht zu hören brauchten, da er den Rest des Buchs für
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