Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)
Stimmung einen richtigen Tiefpunkt. Überall Alarmanlagen und dann diese unzähligen Aufseher mit ihren Handys und dem Funk. Würden sie auf etwas Verdächtiges aufmerksam werden, dann würden sie sofort die Polizei rufen. Obwohl es ja noch den besagten menschlichen Faktor gab. Das Aufsichtspersonal bewegte sich hier tagaus, tagein. Früher oder später würde doch sicher die Konzentration nachlassen? Und eine Kaffeepause würden sie doch auch mal machen, wie alle anderen Leute auch? Snille ließ sich neben ihr nieder und faltete die Hände vor dem Bauch.
»Ich glaube, wir kriegen das hin«, sagte er leise. »Auch das mit den Wachen.«
»Meinst du wirklich?«, fragte sie hoffnungsvoll. »Das ist das Wunderbare an dir, du bist immer so positiv.«
Er drückte ihre Hand ganz sanft.
»Aber du bist diejenige, die mich inspiriert, kleine Märtha, und eins verspreche ich dir. Zusammen schaffen wir alles. Ich habe eine Idee. Komm mit, ich zeige es dir.«
Er stand auf, half Märtha hoch, und gemeinsam bewegten sie sich zu der Halle hinüber, in der die Wanderausstellungen gezeigt wurden. Vielleicht war die Aufsicht dort eher zu überlisten?
19
Katja schaltete ihr Handy aus und starrte das Display an, als wäre von ihm Hilfe zu erwarten. Sie wusste nicht, wie oft sie diese Nummer schon gewählt hatte – Schwester Barbro war einfach nicht erreichbar. Die Pflegedienstleiterin hatte sich etwas vage ausgedrückt, was die Länge ihres Urlaubs betraf, nur hatte Katja das nicht gleich registriert. Erst jetzt begann sie zu überlegen. Früher hatte sie Schwester Barbro immer anrufen und Fragen stellen können, aber jetzt, da sie wirklich ein Problem hatte, funktionierte es nicht. Katja seufzte und sah zum Gemeinschaftsraum hinüber. Da saß eine Frau, die an einer Decke nähte, und zwei ältere Herren spielten Schach miteinander. Das Chorgrüppchen war jedoch nicht wiederaufgetaucht, und das machte ihr Angst. Dieser fröhliche Trupp hatte für eine muntere Stimmung im Haus gesorgt. Jetzt war es öde, geradezu totenstill. Katja musste an Snille denken, der immer schnitzte, wenn er dachte, dass es niemand merkte, und an Kratze, der seine Seemannslieder sang. Sogar Anna-Gretas Wiehern war irgendwie belebend gewesen. Katja hätte nie geglaubt, dass sie die Rentner so vermissen würde. Kratze, der auf dem Balkon seine Pflanzen zog, obwohl es verboten war, und Stina, die ihm beim Gießen half. Katja hatte bemerkt, wie Stina ihn heimlich beobachtete, und sie nahm an, dass Stina in ihn verschossen war. Jedenfalls achtete Stina immer sehr darauf, hübsch auszusehen, wenn sie an Kratzes Tür klopfte. Ganz anders Anna-Greta, die offenbar nur Kleider trug, damit sie nicht fror. Gäbe es noch mehr Frauen von ihrem Schlag, dann wären die Models arbeitslos und Europas Modehersteller längst pleite.
Die Chorgruppe, ja, meine Güte, wo waren sie nur? Sie ging ins Personalbüro und schaute in den Unterlagen nach, ob sie irgendeinen Anhaltspunkt finden konnte. Ob Schwester Barbro ihr eine Notiz hinterlassen hatte? Immer war sie mit einem guten Rat zur Stelle gewesen, aber Katja fand nichts. Wenn die alten Leute ein Konzert in Strängnäs oder Eskilstuna gegeben hätten, wären sie längst zurück. Nein, jetzt konnte sie nicht länger warten, jetzt musste sie etwas auf eigene Faust unternehmen. Und das Heikle daran war, dass sie damit dem Ruf der Diamant GmbH richtig schaden konnte.
Katja setzte sich, nahm das Telefon in die Hand, aber traute sich nicht gleich, die Nummer der Polizei zu wählen. Stattdessen rief sie bei verschiedenen Gemeinden in der Gegend an und fragte, ob die Senioren bei ihnen aufgekreuzt seien. Hatte die Diakonin eventuell von einem Chorkonzert gehört, bei dem ältere Menschen auftraten? Ach nein? Nach zwei Stunden gab sie auf. Niemand konnte ihr etwas sagen. Hatten Märtha und die anderen nur gesponnen, als sie von den Konzerten erzählt hatten? Jetzt wurde Katja richtig nervös. Sie hätte gleich Alarm schlagen sollen. Ihre Hand zitterte, als sie die Nummer tippte. Sie versuchte, ruhig zu bleiben, und während sie die Signaltöne in der Leitung hörte, tröstete sie sich damit, dass es besser war, dass fünf Bewohner fehlten als nur einer. Sie konnten sich immerhin gegenseitig helfen, wenn etwas passierte.
»Polizeirevier Stockholm?«
Katja holte noch einmal tief Luft und versuchte, mit möglichst ruhiger Stimme mitzuteilen, dass fünf Personen aus einem Altersheim in der Stadt verschwunden waren.
Als Märtha
Weitere Kostenlose Bücher