Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)
war der Weihnachtsschmuck«, schimpfte ein Mann. »So knauserig darf man nie sein. Damit bringt man die Leute gegen sich auf. Im Übrigen, wann bekommen wir wieder Gebäck zum Kaffee?«
»Wenn wir keinen Hefezopf oder Zimtschnecken mehr bekommen, verschwinden wir vielleicht auch«, deutete die 91-jährige Elsa mit einem verschlagenen Grinsen an. »Und warum servieren Sie keine Plunder? Ich will die mit Marzipan und mit viel Sahne obendrauf.«
Schwester Barbro verstand gar nichts mehr. Bis vor kurzem war es doch so still und friedlich gewesen, als alle in ihren Sesseln saßen und fernsahen. Jetzt meckerten sie den lieben langen Tag. Aber die meisten Gedanken machte sie sich wegen Märtha, Kratze und den anderen. Sie hatte keine Ahnung, wie sie überhaupt aus dem Heim herausgekommen waren. Ob ihnen jemand von außerhalb, vielleicht ihre Kinder, geholfen hatte? Ja, genau, die Kinder. Kratzes Sohn hatte von einem Schiff auf dem Kattegat angerufen und geflucht und herumgebrüllt, der schied also schon einmal aus. Aber vielleicht hatten sie von Stinas Kindern Unterstützung bekommen? Schwester Barbro entschied, sie anzurufen. Jetzt kam sie mit der Situation nicht mehr allein zurecht.
34
Das konnte doch nicht wahr sein! Märtha lehnte sich an den Flügel, schüttelte den Kopf, sah wieder zur Wand und bekam den Mund nicht mehr zu. Nein, bestimmt war sie nur von der Reise erschöpft und durcheinander. Wenn sie etwas im Magen hatte, würde sie sich besser fühlen. Ein schönes Lammsteak und ein Glas Wein, dann würde alles gut. Sie freute sich darauf, endlich wieder an einem Tisch zu essen, der nicht schwankte! Sie versuchte, ruhig zu bleiben, doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass da etwas überhaupt nicht stimmte, dass etwas völlig … nein, sie konnte es nicht glauben. Sie schüttelte den Kopf und ging zu den anderen hinüber, ohne ein Wort zu verlieren.
Beim Essen im Restaurant saß Märtha schweigend da, während die anderen darüber diskutierten, ob sie den Verlust der Hälfte des Lösegeldes bedauerten. Am Ende waren sie einer Meinung, dass sie damit froh und zufrieden sein sollten, denn trotz allem hatten sie nun mehr Geld bekommen, als sie sich je hätten träumen lassen. Die Einzige, die murrte, war Anna-Greta.
»Und wie finden wir heraus, wo das restliche Geld ist?«, fragte sie. »Es gehört schließlich uns.«
»Nicht so laut«, sagte Kratze und hielt den Finger vor den Mund. »Und dass es uns gehört, kann man so oder so sehen …«
»Aber wenn wir gar nicht vorhaben, es zu suchen, was machen wir dann hier? Gehen wir nicht ins Gefäng…«
Kratze versetzte ihr einen Tritt vors Schienbein.
»Nicht immer geht alles nach Plan«, antwortete Märtha und dachte an die verschwundenen Gemälde. Noch hatte sie sich nicht getraut, etwas zu sagen.
»Ich finde, Anna-Greta hat recht. Es ist langsam an der Zeit, die Koffer zu packen«, schlug Kratze vor. »Hier haben wir doch jeden Tag dasselbe blöde Feinschmeckeressen mit diesen komischen Soßen und Gelees. Was gäbe ich für einen richtigen Hamburger!«
»Ja, oder einfach die gute, alte Hausmannskost. Ich habe gesehen, was es im Gefängnis gibt – alles genau nach der Ernährungspyramide – Fleischbällchen, Fisch und Salat«, fügte Stina hinzu.
Märtha aß den Rest des Erdbeersorbets, schob den Teller beiseite und wischte sich den Mund umständlich mit der Leinenserviette ab. Doch bevor sie zu Wort kam, sprach Anna-Greta weiter.
»Ich weiß nicht, was wir hier zu suchen haben. Wir hatten vor, ein paar Tage oder vielleicht eine Woche zu bleiben. Jetzt haben wir schon den ersten April, und bevor wir uns versehen, sind zwei Wochen vorüber. Unser Ausgangspunkt war doch, das Haus Diamant zu verlassen, um es im Gefängnis besser …«
»Still!«, zischte Kratze.
»Ich meine, um es jeden Tag besser zu haben …«
Stille. Märtha schielte zu Anna-Greta hinüber. Sie hatte schon recht. So amüsant es auch war mit ihren Diebstählen, sie konnten ja nicht für immer im Hotel wohnen. Außerdem hatten sie sich jetzt mit Geld versorgt, das ihnen das Leben versüßen würde, wenn sie ihre Strafe abgesessen hatten. Nur die Polizei hatte bisher gepennt. Wie verrückt das Leben sein konnte! Die Polizei verdächtigte sie nicht einmal, und auch vom Altersheim hatte sich niemand gemeldet. Nun aber die Sorge über die verschwundenen Bilder, damit hatte keiner gerechnet. Märtha räusperte sich.
»Hört mal zu, wir haben ein kleines Problem.«
»Jetzt kommt
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