Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)
Jugendherberge ist voll, und in den Vororten … Meinst du wirklich?«, sagte sie und setzte sich auf einen Barhocker. Sorgfältig kreuzte sie das eine Bein über dem anderen und zog ihren Rock hoch, bis er an der Stuhlkante hängenblieb.
»Warte mal, ich helfe dir«, sagte der Barkeeper und stellte das Glas hin. Er zupfte eine Weile an ihrem Rock, bis er den Stoff vorsichtig gelöst hatte. »Vielleicht kann ich dir im Nebengebäude etwas Billiges organisieren. Aber dann musst du morgens vor sieben Uhr draußen sein, da kommen die Bauarbeiter.«
»Hauptsache, es kostet nicht so viel.«
»Nichts ist umsonst«, sagte er und zwinkerte.
Nach der Schicht war er zu ihr in den Anbau gekommen, und am nächsten Morgen kannte sie alle Namen der Frauen, die im Hotel putzten. Ein paar Tage später bekam sie sogar den Namen der Vertretung, die in die Königliche Bibliothek zum Lernen ging. Petra Strand saß dort meist, bis sie die Bibliothek schlossen, und kam nicht vor sechs Uhr nach Hause. Liza sah auf die Uhr. Es war halb fünf, also hatte sie noch genügend Zeit. Nach einer Weile fand sie die Adresse des Mädchens und entdeckte ihren Namen auf der linken Seite des ersten Flurs im zweiten Stock. Als sie die Treppe hinaufkam, sah sie sich rasch um, um sich zu vergewissern, dass sie auch allein war. Dann huschte sie zur Tür, schob den Stahlkamm in den Spalt und bog. Es machte klick, und sie musste nur hineinspazieren.
56
Liza schlüpfte in ein kleines Zimmer, das nicht viel größer war als das in Hinseberg. Da gab es einen Stuhl und ein Bett, das nicht gemacht war, und linker Hand einen Schreibtisch mit einem Bücherstapel. Vor dem Sofa standen ein kleiner Teetisch und zwei Sessel. Darüber hingen zwei Bilder mit dem König und dem Königspaar und zwei kleinere Reproduktionen mit alten Nymphen und Engeln. An der Wand rechts hing eine Pinnwand, an die Unmengen von Zetteln gepinnt waren, und ein Poster vom diesjährigen Karnevalsumzug. Sie nahm eins der Bücher in die Hand und begann zu blättern. Die Geschichte der Kunst . Genau. Wie es der Barkeeper gesagt hatte, studierte Petra offenbar Kunstgeschichte. Liza öffnete die Tür des Kleiderschranks. Da hingen ein paar Hosen, Blusen und Röcke und auf dem Boden lag ein Haufen Schuhe und Stiefel. Sie sah, dass ganz hinten zwei Bilder standen. Gierig griff sie nach ihnen. Es waren Reproduktionen, aber so modern, dass sie keine Ahnung hatte, was sie darstellen sollten. Sie schüttelte den Kopf und stellte sie zurück an ihren Platz. Auch dort weder ein Claude Monet noch ein Auguste Renoir, nur überbewerteter Schund. Sie schloss den Kleiderschrank wieder und begann, den Schreibtisch zu durchsuchen. In der oberen Schreibtischschublade fand sie Briefe, Stifte, einen Radiergummi, Büroklammern und eine Schere. In der nächsten lagen Fotos und ein Stapel Ansichtskarten. Sie blätterte sie schnell durch. Ein paar Bilder von Stockholm, das Wasaschiff, das Schloss, das Grand Hotel und ein Stapel mit Kunstmotiven. Dann stoppte sie. Auf den zwei letzten Karten waren die verschwundenen Gemälde abgebildet. Warum hatte das Mädchen sie aufgehoben? Liza sah wieder an der Wand hinauf und beschloss, sich die Rückseiten der Kunstwerke anzuschauen. Sie ging zu dem Bild mit dem Königspaar und drehte es vorsichtig um. Da hörte sie Schritte auf dem Flur. Die Tür zur Toilette stand offen, und sie schaffte es gerade noch, sie hinter sich zu schließen, als eine Horde grölender Studenten in das Zimmer stürmte. Einen kurzen Moment lang war es still, dann rüttelte jemand am Türgriff.
»Petra, wir wissen, dass du da bist!«
Liza hörte Lachen und Rufe, und dann begannen alle zu singen:
»Hoch soll sie leben, hoch soll sie leben.«
Liza stand still vor dem Spiegel.
»Dreimal hoch.«
Dann rief jemand Petras Namen, einige tuschelten, und dann öffnete plötzlich jemand die Tür. Da hockte Liza.
»Wer zum Teufel bist du denn?« Das Mädchen mit der Torte in der Hand machte einen Schritt zurück und mit ihr die Horde, die hinter ihr stand.
»Ich wollte sie zum Geburtstag überraschen«, sagte Liza und steckte den Lippenstift in die Handtasche. »Ich bin ihre Kusine.«
»Ehrlich? Cool!«
»Ich habe eine Idee. Wartet auf Petra hier im Zimmer, dann nehme ich sie am Eingang in Empfang«, fuhr sie fort und schlüpfte schnell an den anderen vorbei, ohne dass jemand etwas sagen konnte. Auf der Treppe nach unten sah sie ein junges Mädchen mit roten Haaren und einem Rucksack über der Schulter.
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