Wir fangen gerade erst an: Roman (German Edition)
Vielleicht war sie das gewesen, doch Liza traute sich nicht stehen zu bleiben, um es herauszufinden. Schlimm genug, dass sie gesehen worden war.
Als sie sich von dem Schock erholt hatte und wieder auf dem Weg in die Innenstadt war, dachte sie noch einmal über die Bilder nach. Sie war überzeugt gewesen, sie könne sie finden. Ob das zu optimistisch gewesen war? Wenn die Kunstschätze sich nicht im Hotel befanden und sie auch kein Angestellter in seinem Besitz hatte, dann waren sie sicher schon außer Landes. Sie konnten zwar auch irgendwo in einem Keller oder auf einem Dachboden verstaut sein, aber das fand sie nicht sehr wahrscheinlich. Es wäre viel zu riskant, sie an so einem Ort aufzubewahren. Mist, die Sache mit Petra. Liza hatte gehofft, dass die Studentin den Wert der Bilder erkannt und sie an sich genommen hatte. Aber sie hatte ja nicht einmal Geschmack. Den König und das Königspaar in solch kitschigen Rahmen, das war wirklich ein Griff ins Klo. Außerdem waren die Rahmen auch viel zu groß. Nein, von Kunst verstand Petra wirklich nicht viel, dachte Liza und kauerte sich auf dem Sitz zusammen. Doch während sie da saß, musste sie an das Bild denken, das sie umdrehen wollte. Der Rahmen war erstaunlich schwer gewesen, und er war auch auffällig groß. Irgendetwas an der Sache war faul.
57
So ein Reinfall! Anders konnte man es nicht nennen. Wochenlang hatte Snille versucht auszutüfteln, wie man eine Fußfessel vom Gelenk entfernen und wieder anbringen könne, ohne dass es jemand merkt. Aber gerade, als er das Problem gelöst hatte, erfuhr er, dass er gar keine bekommen würde. Früh an einem Morgen im Herbst öffnete sich die Tür zu seiner Zelle im Gefängnis in Täby.
»Jetzt ist es so weit. Du wirst weitergeschleust«, sagte der Strafvollzugsbeamte. Snille, der noch gelegen und gelesen hatte, setzte sich auf.
»Was heißt das, ›geschleust‹?«
»Bei uns bist du fertig und kommst jetzt in den offenen Vollzug. Und dann geht’s nach Hause zu deiner Frau.«
In seinem Kopf ging es drunter und drüber. Nach Hause? Da hatte er vor allem Märtha und Schwester Barbro vor Augen, denn er hatte ja kein richtiges Zuhause mehr. Seine Exfrau hatte wieder geheiratet, einen älteren reichen Herrn, und wohnte nun in Göteborg, während sein Sohn vor ein paar Jahren nach einer gescheiterten Ehe ins Ausland gezogen war. Er arbeitete in Tansania für das Rote Kreuz, und Snille hatte ihn nun bald drei Jahre nicht gesehen. Aber Snille hatte seine Werkstatt in Sundbyberg noch, weil er hoffte, dass sein Sohn sie eines schönen Tages doch noch übernehmen würde. Obwohl man dort gar nicht wohnen konnte. Snille rieb sich mit dem Finger unter der Nase entlang und versuchte, eine Lösung zu finden. Wenn er nicht ins Haus Diamant zurückgehen konnte, was kam dann?
»Und Kratze, wird er auch entlassen?«, fragte Snille.
»Sobald seine Papiere fertig sind.«
Snille rieb sich noch einmal die Nase und versuchte, sich sein neues Leben vorzustellen. Doch das Einzige, was er sehen konnte, waren Märtha und das Fallrohr.
»In Asptuna kannst du dich an deine neue Freiheit gewöhnen, so dass du leichter wieder zurück in die Gesellschaft findest«, fuhr der Wärter fort.
»Ich werde bald achtzig. Besser spät als nie«, sagte Snille.
»Wir haben den Transportdienst verständigt. Sie holen dich in den nächsten Tagen.«
Wieder drehte sich alles. Snille war es ganz gut ergangen, und wenn da nicht Märtha und die anderen wären, hätte er sich auch vorstellen können, dort zu bleiben. Es war zwar hellhörig und etwas feucht im Gefängnis in Täby, aber hier hatte er helfen können, das Essen zuzubereiten, und es war herrlich gewesen, in einer richtigen Werkstatt zu arbeiten. Außerdem hatte es ihm gutgetan, mit Menschen unterschiedlichen Alters zusammen zu sein. Er musste nicht mehr das Gerede über Krämpfe und vergangene Zeiten anhören, hier drehte sich alles darum, was jetzt geschah. Und die Häftlinge hatten spannende Zukunftspläne. Er lauschte oft, wenn sie in der Pause davon sprachen. Meist versuchte er zu analysieren, woran es lag, wenn ihnen ihre Verbrechen geglückt waren, und ebenso, was der Grund für ihr Scheitern war. Der Gedanke an das ultimative Verbrechen hatte ihn noch nicht losgelassen. Und das bedeutete, eben nicht ins Gefängnis zu kommen.
Auch Kratze war es gut ergangen, denn er hatte im Garten arbeiten dürfen. Er liebte Blumen und freute sich daran, wie sie wuchsen und hatte schon Salat, Kohl und
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