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Wir haben gar kein Auto...

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Titel: Wir haben gar kein Auto... Kostenlos Bücher Online Lesen
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hinunter in die Stube, wo es schön warm ist. Die drei Damen fühlen sich auch gar nicht gestört und fragen mich munter aus, wo wir herkämen und wo wir hinwollten. Ich erzähle fröhlich vor mich hin, als plötzlich eine von den dreien sagt: »Ja, sag amal, du bist doch die Jutta Speidel, oder schaugst dera bloß so gleich?«
    Ja, was soll man da machen, ich kann ja schlecht nein sagen, aber peinlich ist es mir schon ein bisschen. Doch die drei Damen sind so herzerfrischend natürlich und unkompliziert, dass es mir gar nichts ausmacht, ungeschminkt, wie aus dem Wasser gezogen, mit Schlabber-T-Shirt bekleidet, vor ihnen zu sitzen. Meine Fußmassage fällt dann auch ganz großartig aus. Die Zehen werden durchgeknetet sowie auchdie Sohle und die Ballen, und meine Füße fühlen sich danach total erholt an. Mein Gott, so was bräuchte ich jeden Tag, und dazu hin und wieder eine Rückenmassage, dann könnte ich sogar bis Rom radeln!
Der Rest des Abends vergeht nicht weniger genussvoll. Wir essen vorzüglich in dem Gasthaus des Reisebüros, wohl eine einzigartige Kombination in der Gegend. Der Wein schmeckt gut, wir werden wohlig schläfrig und verschwenden nicht einen Gedanken daran, ob einer von uns sich danach noch Lermoos anschauen will. Beim Durchradeln haben wir eh schon einiges gesehen. Das Gruselwetter hat sich inzwischen gelegt, und so stolpern wir einfach nur noch in unser Bett. 21.15 Uhr, das ist zwar geradezu peinlich, aber ich hab nicht mal mehr die Kraft, ein paar Minuten noch zu lesen. Mir ist es auch egal, dass Bruno noch an seinen Kameras rumwurstelt.
    Sekunden später falle ich in Tiefschlaf.

Dritte Etappe:
Füssen – Lermoos
    Ludwig
ist der allererste Film von Luchino Visconti, den ich mit vierzehn Jahren gesehen habe, lange bevor ich Füssen und Schloss Neuschwanstein besucht habe. Das Leben des berühmtesten und umstrittensten bayerischen Königs, seine Existenz voller Schatten und Geheimnisse sind das Thema dieses Meisterwerks. Eine »Kathedrale« des internationalen Kinos, ein Monument der Kultur und Ästhetik.
Ludwig
ist ein prächtiger Film, sorgfältig gestaltet bis ins kleinste Detail, gedreht an den Orten, an denen der König, der übrigens ein großer Ästhet war, einst gelebt hat.
    Visconti hat der dekadenten deutschen Kultur ein Denkmal gesetzt, und er hat es auf unübertreffliche Art getan. Ich denke, dass ein solcher Film heute gar nicht mehr gedreht werden könnte, denn er würde unglaubliche Summen verschlingen, und mutige und kulturliebende Produzenten laufen nicht gerade viele herum … und ein zweiter Visconti schon gar nicht! Mit einem außerordentlichen Helmut Berger in der Hauptrolle, der dem echten Ludwig unglaublich ähnlich sieht, zeugt dieser Film von der Liebe des Regisseurs für Deutschland und kauft uns Italiener von der Mittelmäßigkeit gewisser aktueller Politiker und ihren außerplanmäßigen »Nummern« frei.
    Wie etwa jene, die sich im letzten Jahr in Triest währenddes italienisch-deutschen Gipfel-Treffens ereignet hat. Unser Ministerpräsident, der mit dem Bandana-Look (immer er!), hat sich beim Empfang von Angela Merkel auf der Piazza dell’Unità d’Italia hinter einer Fahnenstange versteckt, und als die Kanzlerin erschien, ist er hervorgekommen und hat gerufen: »Hier bin ich!«
    Frau Merkel hat daraufhin die Arme ausgebreitet und wohl mit einem lakonischen und leicht verlegenen »Silvio!« geantwortet.
    Während der Fahrt hinauf zum Märchenschloss erzähle ich Jutta die Anekdote vom »Kuckuck des Cavaliere«, die eigentlich gar keine Anekdote ist, da sie sich vor den Augen Dutzender Journalisten abgespielt hat und von Fernsehkameras in die ganze Welt übertragen worden ist. Gehen Sie mal auf YouTube, dort können Sie sich davon überzeugen.
    Â»Was für Kindsköpfe ihr Italiener doch seid!«, sagt sie nur.
    Ich tue so, als würde ich ihre übliche Bemerkung über meine Landsmänner überhören, und komme, während ich auf die faszinierende neugotische Architektur auf dem hohen Felsen deute, auf die Handlung des Films von Visconti zu sprechen. Ich tue es in der Hoffnung, mich aufzumuntern und den italienischen Stolz wiederzufinden, den ich wegen meines gelegentlich Verstecken spielenden Premierministers verloren habe.
    Wir haben die Fahrräder auf dem Parkplatz von Hohenschwangau

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