Wir haben gar kein Auto...
genau?«, will sie wissen.
»Ãääh, der Ort heiÃt Plaus oder Plums oder so ähnlich«, stammele ich.
»Na, das ist ja mal saublöd von euch. Warum habt ihr denn nicht angerufen? Ihr hättet doch bei der Tochter von Maria in Naturns übernachten können. Den ganzen Abend habe ich auf einen Anruf von euch gewartet. Ich hätt euch doch helfen können. So was aber auch, echt überflüssig, so kurz vorm Ziel noch mal Geld auszugeben!«
»Mami, Mami, alles ist gut, und schau, wir haben es bis hierher geschafft, den Rest packen wir auch noch«, versuche ich den Redeschwall zu unterbrechen.
»Nein, also das muss ich jetzt schon wissen, wann ihr in Meran eintrudelt, immerhin haben wir eine Ãberraschung vorbereitet. Sobald ihr an dem
Benvenuti a Merano
-Schild vorbeikommt, ruft ihr mich an, ja? Ich sage euch dann, wo ihr hinfahren müsst.«
»Wäre es nicht geschickter, wenn du mir jetzt sagen würdest, wo wir ankommen sollen? Es wird so um die Mittagszeit«, versuche ich sie zu überreden.
Aber da kenne ich meine Mutter schlecht. Wenn sie sich was in den Kopf gesetzt hat, dann muss das auch so ablaufen. Kann ich ja verstehen, bin ja auch ein Widder, genau wie sie. Also verspreche ich, rechtzeitig anzurufen, und versichere ihr noch mal, dass es uns gutgeht und wir bester Laune sind, nur halt noch im Bett und nicht schon fahrenderweise auf dem Rad.
Einmal Mama, immer Mama!
Es ist in der Tat längst Zeit, aufzustehen, und so versuche ich, den faulen Krieger neben mir im Bett mit einem ordentlichen
grattino
wachzukitzeln. Bruno liebt es, gekitzelt und gekratzt zu werden, am besten von den Haarwurzeln bis zur Ferse. Genau wie mein Hund Gino! Beide räkeln sich und grunzen, können nicht genug kriegen, wenden sich hierhin und dorthin, damit ich auch überall gut hinkomme und keine Stelle nicht gekratzt wird. Mannomann, das kostet jedes Mal Zeit und Kraft, aber wach ist er danach! AuÃerdem hat es den Vorteil, dass man sich das Nägelfeilen erspart! War ein Scherz â¦
Reinhard hat in Meran die schönste Buchhandlung, ist auÃerdem aktiver Kulturpolitiker und in allen möglichen Ausschüssen tätig. Er möchte aus dem etwas verschlafenen Meran einen wichtigen kulturellen Standort in Südtirol machen und unter anderem ein kleines Filmfestival organisieren. Die beiden Männer haben ausgiebig Gesprächsstoff, und so verabreden wir uns nach dem Frühstück an der Piazza zu einem
aperitivo
. Von dort können wir sowohl die Buchhandlung anschauen als auch die malerischen Arkaden und sind schon in der Innenstadt, wo dann sicher auch die Ãberraschung auf uns wartet.
Gegen 13.00 Uhr rufe ich, vom Prosecco beschwingt, meine sicher vor Ungeduld längst von einem Bein aufs andere springende Mutter an.
»Also, Mami, wir sind jetzt dann gleich in Meran.« Pfui, Jutta, du alte Schwindelliese!
»Okay, fahrt zum Teatro Puccini an der Kurpromenade«, lautet die Anordnung.
Wir busseln unsere Freunde herzlich ab, die es sich nicht haben nehmen lassen, uns einfach so zu beherbergen, und verabreden uns auf morgen, eventuell. Das machen die Italiener gerne, sich immerzu verabreden, und am Ende hat dann doch keiner Zeit. Ich bin da ganz anders, so
deutsch
halt. Wenn ich eine Verabredung nicht einhalten kann, hab ich jedes Mal ein immens schlechtes Gewissen, also sage ich meistens: »Mal sehen, ob es sich noch ausgeht, ich rufe morgen an.« Blöd eigentlich, aber deutsch korrekt. Die italienische Variante ist so viel unkonventioneller und lockerer. Aber so bin ich nun mal erzogen und mag es auch nicht ändern.
Das alte Teatro Puccini ist ein hübscher Bau, der nicht zu übersehen ist, und als wir um die Kurve biegen, sehen wir schon von weitem drei ältere Damen. Eine davon hat Gino an der Leine, die beiden anderen halten ein Transparent, während sie vor dem Theatereingang warten.
»Ziel«, steht darauf.
Gino bekommt einen halben Herzinfarkt vor Freude, als er uns bemerkt. Selbstgewundene Lorbeerkränze mit Blumen werden uns mit Bussis rechts und links auf die Wangen umgelegt. Kameras werden gezückt, bereit, die Siegerfotos zu schieÃen oder den Etappensieg einzufangen. Alle reden wild durcheinander.
»Wie warâs denn?« â »Wo wartâs denn?« â »Warâs denn schön?«, rufen sie und berühren bewundernd unsere strammen Wadln.
So muss sich der Sieger des
Giro
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