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Wir haben keine Angst

Wir haben keine Angst

Titel: Wir haben keine Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauer Nina
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Energie er dann haben kann. Vor allem, weil er das, was er sagt, dann auch genau so meint. »Ich will dich sehen«, raunt er nachts und schaltet das Licht, direkt nachdem er es gelöscht hat, noch einmal an. »Ich will alles von dir sehen«, fordert er voller Gefühl, während seine Augen vor Begeisterung blitzen, und: »Du machst mich so glücklich.«
    Die Letzte, zu der er das gesagt hat, war Hannah. Hannah war cool. Sie stand mitten im Leben. Sie war dreißig und arbeitete schon seit Jahren bei einer großen Filmproduktionsfirma. Sie brachte Bastian lustige Promotiongimmicks von neuen Filmen mit. Sie lachte über seine Hubba-Bubba-Blasen. Sie lachte darüber, wie er ihr am Sonntagmittag in seinen Superman-Boxershorts vor dem Bett tanzend Adam-Green-Songs vorsang, darüber, wie er ihr mit verstellter Stimme Comics vorlas, und darüber, wie er mit derselben Stimme danach Pizza bestellte. Sie fand es romantisch, wenn er mitten in der Nacht noch Radfahrten quer durch die Stadt unternehmen wollte, um mit einem Bier in der Hand und einer gemeinsamen Decke um sie gewickelt am Flussufer Sterne zu gucken. Sie war gerührt, wenn er auf dem Weg zurück an einer Straßenecke anhielt, um aus dem Kaugummiautomaten Plastikringe für dreißig Cent zu ziehen. Es begeisterte sie, wie er sich einen selber an die Hand steckte, dann auf die Knie sank, sich an die Brust griff und »Sag ja!« rief. Wie er, nachdem sie theatralisch »Ich will« gehaucht hatte, so tat, als würde er in Ohnmacht fallen. Davon, wie gut er sie danach küsste und wildfremde Nachtschwärmer anlaberte, dass er frisch verheiratet sei.
    Später im Bett, als er noch einmal das Licht anmachte, antwortete sie »Du machst mich auch glücklich, Bastian.«
    Hannah brannte.
    *
    Anna rollt sich vom Bett. Sie wankt ins Bad. Ihre Füße frieren in den dünnen Hotelschlappen. Langsam schminkt sie sich vor dem Spiegel ab. Sie denkt an Katrin.
    »Naaa, bist du auch schon so aufgeregt?«, hatte Katrin heute Morgen zur Begrüßung gestrahlt. Katrin und Philipp hatten Anna mit ihrem gemeinsamen Auto abgeholt. Die beiden waren auch zur Hochzeit von Julia und Sven eingeladen, mit Julia hatten Anna und Katrin Abi gemacht.
    »Ihr seht so schnieke aus, ihr zwei, so schick!«, hatte Anna die beiden begeistert gelobt. Sie hatte sich nicht getraut zu fragen, ob Katrins Kleid von H&M war.
    »Hast du die Haare etwa selber hochgesteckt?«, hatte Katrin sie gefragt. Anna hatte lachen müssen. »Nein, da brauchte ich dann doch professionelle Hilfe«, sagte sie, während sie auf den Rücksitz kletterte. Um halb acht war sie noch schnell zu Mark in den Salon gelaufen. Mark hatte ihr Mut für den Pärchenterrortag zugesprochen. Während das Fixierspray einziehen musste, hatte er »You’re beautiful« von James Blunt in seine Bürste gesungen und Anna zum Abschied fest umarmt. »Courage, mein Engel«, hatte er ihr hinterhergerufen und Kussmünder durch die Fensterscheibe gepustet.
    »Hast du den Ablaufplan auch so schön brav ausgedruckt wie wir?« Katrin hatte sich vom Beifahrersitz zu Anna umgedreht und mit einem Haufen zusammengetackerter Papiere gewedelt. »Julias und Svens TRAUMTAG « las Anna den verdächtig unironischen Titel, der in goldener Schnörkelschrift auf der ersten Seite stand. Plötzlich hatte Anna sich zwischen dem Geschenkkorb und dem Blumenstrauß eingequetscht auf der Rückbank wie ein kleines Kind gefühlt. Natürlich hatte sie sich nichts schön brav ausgedruckt.
    »
Wir
können den Ablaufplan nämlich schon seit drei Wochen auswendig runterbeten, dank Katrin«, hatte Philipp gelacht und die Augen verdreht. Katrin hatte verschmitzt gekichert. »Blödmann«, hatte sie im Tonfall einer Dreijährigen gepiept und Philipp in die Seite geknufft.
    »Selber blöde«, hatte Philipp in der gleichen Babysprache patzig entgegnet und einen gespielt beleidigten Dackelblick aufgesetzt. »Du bist noch viel, viiiiiel am blödesten«, quietschte Katrin zurück und knuffte Philipp noch einmal.
    »Hilfe«, war es Anna instinktiv entfahren. Sie hatte es nur geflüstert, keiner der beiden angeblich Erwachsenen da vorne hatte es gehört. Zu versunken war das Pärchen, das Anna in seinem Spiel plötzlich wie ein auf groteske Art und Weise ineinander verschmolzenes Wir vorkam. Katrin und Philipp schienen völlig vergessen zu haben, dass noch jemand anderes mit ihnen im Auto saß. Oder es war ihnen ungeheuerlicherweise egal.
    Kopfschüttelnd begann Anna, in ihrer Tasche zwischen den Blumen nach

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