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Wir haben keine Angst

Wir haben keine Angst

Titel: Wir haben keine Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauer Nina
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wenn unsere Wege, nachdem sie sich irgendwo gekreuzt hatten, wieder auseinanderliefen. Auf dem eigentlich nur galt: Wenn irgendwann Schluss ist, dann ist das eben einfach so.
    Was natürlich nicht hieß, dass es nicht weh tat. Es tat sogar höllisch weh. Doch wir hatten die professionellsten Tröster an unserer Seite, die man sich vorstellen kann. Sie hießen Wir Sind Helden. Und waren auf alles vorbereitet. Wenn sie uns verspielt-melancholisch ins Ohr sangen, dass die Zeit alle Wunder heilt, glaubten wir ihnen sofort.
    Sie waren dabei, wenn wir unsere blutenden Herzen pathetisch mit Alkohol zu betäuben versuchten, sie begleiteten unsere Versuche, nüchtern den Kontakt abzubrechen, sie kamen mit, wenn wir verletzt wegfuhren, und sangen immer noch für uns, wenn wir nach unserer Rückkehr erstarkt und selbstbewusst wiederkamen. Wenn wir dann wertvoll Freunde blieben. Und es am Ende voll neuer Hoffnung natürlich doch noch einmal miteinander versuchten. Sie richteten uns wieder auf, wenn wir uns nach einer weiteren emotionalen Achterbahnfahrt von dramatisch durchstrittenen, traurig durchtränten und beklemmend durchschwiegenen Tagen und Nächten dann doch wieder und diesmal endgültig trennten. Sie brachten uns bei, dass unser Trennungsschmerz im Nachhinein sogar lohnend erscheinen konnte, und wegen ihnen stimmten wir irgendwann sogar doch mit unseren Freunden in den großen, gemeinsamen Mutmacher-Chor ein, der beteuerte, dass sich mit jedem Fenster, das man schließt, irgendwo ein anderes öffnet. Sie waren es auch, denen wir letztlich verdanken, dass wir uns eines Tages doch wieder frisch verlieben konnten.
    Und dann also mit jemand Neuem im WG -Zimmer unter der Bettdecke lagen. Mit dem wir morgens unter der Dusche so lange kichern konnten, bis die genervten Mitbewohner an die Badezimmertür hämmerten. Mit dem wir uns jeden Tag nach dem Seminar trafen, um mit dem Fahrrad in den Park oder ans Flussufer zu fahren. Mit dem wir uns dort ein Bier teilten und die Sammelsüßigkeiten aßen, die wir vorher gemeinsam beim Türken zusammengestellt und in eine der Papiertüten mit Herzchen drauf gesteckt hatten. Mit dem wir uns gegenseitig mit Grashalmen auf dem Rasen zwischen den kiffenden Trommlern kitzelten oder am Ufer Steine sammelten, die wir auf dem Wasser springen ließen. Mit dem wir danach etwas ernster über unsere Kindheitsträume, über die Abnabelung von unseren Eltern, das Praktikum, das wir im nächsten Jahr machen wollten, und die Länder, die wir gerne noch bereisen würden, reden konnten.
    Vielleicht, sagten wir damals, während wir uns gegenseitig mit sauren Heringen, weißen Mäusen und Apfelringen fütterten, so dahin, wollten wir im nächsten Sommer, in den Semesterferien, eine riesige Interrailtour durch Europa unternehmen. Wir fragten den anderen natürlich nicht direkt, ob er uns auf diese Reise begleiten würde. Aber es schwang mit, während wir Hand in Hand in die untergehende Sonne über den Bäumen oder dem Fluss blickten und ironisch »Ach, ist das romantisch, oder?« seufzten.
    Als es kalt wurde, krochen wir mit unserer neuen Liebe zurück in unsere kuschelige WG -Zimmer-Welt und verließen ganze Wochenenden lang nicht das Bett. An den Montagvormittagen schwänzten wir die Vorlesung. Statt an die Uni zu fahren, blieben wir lieber eng umschlungen liegen und verglichen, während Jack Johnson, von seiner Ukulele begleitet, von »Banana Pancakes« und dem Gefühl, einfach weiter Wochenende zu spielen, sang, unsere Zehen, die genau so innig ineinander verhakt wie wir unter der Ikea-Bettdecke herausschauten.
    Eine kleine Ewigkeit lang schien unser Leben auf diese Weise in rosa Watte gepackt zu sein. Alles war einfach. Und es schien so zu bleiben.
    Irgendwann machten wir unsere Beziehung deshalb vor aller Welt offiziell. Wir brachten es sogar schonend dem oder der Ex bei. Und spätestens nach diesem großen Schritt wurden aus unseren Plänen nur noch gemeinsame. Alles wurde nun tiefer, bedeutungsvoller. Wir lernten die Eltern des anderen kennen, wir flogen zusammen mit Ryan Air nach Sardinien in den Pärchenzelturlaub und wollten das Erasmussemester als Chance für unsere Beziehung begreifen.
    Im Winter erstanden wir an den Buchständen vor der Uni in der Mittagspause zwischen den Vorlesungen eine gebrauchte alte Ausgabe von Erich Fromms
Die Kunst des Liebens
. Mit Füller ergossen wir eine gewagt tiefsinnige Widmung auf die erste Seite, unterschrieben das Ganze liebevoll mit dem Monat und der

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