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Wir haben keine Angst

Wir haben keine Angst

Titel: Wir haben keine Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauer Nina
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ihrem iPod zu wühlen.
     
    »Anna? Wir sind da«, Philipp tippte ihr vorsichtig aufs Knie. Anna fuhr erschrocken aus ihrem Sitz hoch. Sie hatte das Konsequenteste getan, was man als Kind auf dem Rücksitz tun kann, und war eingeschlafen.
    Vor dem Auto wartete schon die versammelte Hochzeitsgesellschaft. Ab da ging das Gelächel und Gestrahle los. Alle waren glücklich. Den ganzen Tag lang. Vom Sektempfang am Anfang bis zur Eröffnung der Tanzfläche am Ende. Happy, happy, joy, joy, hatte es nüchtern in Annas Kopf gesungen, während sie stundenlang mitlächelte und gratulierte und parlierte und hübsch aussah.
    Eigentlich wollte sie gar nicht so sein. Sie wollte nicht so spöttisch und sarkastisch über alle um sie herum denken. Sie wollte sich nicht so wichtig nehmen. Denn es war schließlich wirklich ein schöner Anlass. Und die Leute waren wirklich ganz nett. Eigentlich war es ein richtig schönes Fest.
    Nach dem Essen hatten Katrin und Philipp dem Brautpaar ihr gemeinsames Geschenk übergeben. »Wir hoffen, es gefällt euch«, hatten sie gespannt gegrinst. Die Braut hatte das rosa Seidenpapier ausgepackt. »Oje, wie süß von euch!«, Julia hatte den pinken Babystrampler hoch gehoben, so dass alle den darauf gedruckten Schriftzug lesen konnten. »Lieferzeit: 9 Monate«, stand auf dem Strampler. Jetzt grinsten sie zu viert. Julia war im dritten Monat schwanger. Sie hatte es kurz vor der Hochzeit vor den engsten Freunden offiziell gemacht. »Es hätte auch noch
Abi
2028
gegeben oder
Made in Germany
«, hatte Katrin erklärt. »Aber bei
Made in Germany
waren wir uns dann auf einmal gar nicht so sicher«, hatte Philipp zwinkernd ihren Satz beendet und danach noch breiter gegrinst.
    Anna flüchtete aufs Klo. »Alles noch schlimmer als gedacht«, simste sie an Marie.
    Als sie zurückkam, begann gerade der Programmteil 4.1.1, »Spiele«. »Was ist Svens Lieblingsfarbe?«, musste Anna von einer Karte vorlesen, die im Stil von
Wer Wird Millionär?
gestaltet war. »Die Fragen sind doch viel zu einfach«, hatte Svens Vater von der Bar gegrölt und ihr zugeprostet. Er sah ein bisschen so aus wie Bill Murray, fand Anna.
    Nach dem Spiel war die Torte angeschnitten worden. Eine riesige, tischgroße Erdbeertorte in Herzform, eng umrandet von vielen kleinen Cupcakes mit rosa Topping, in dem je eine Liebesperle steckte. »Schön, dass ihr alle da seid«, hatte Julia gestrahlt.
    *
    Als die Geschichte mit Hannah anfing, sich zu etwas Festerem zu entwickeln, hatte Bastian das getan, was er in diesem Beziehungsstadium dann immer tut: Er hatte ihr Fotos von sich und Michi gezeigt. Er hatte über die schwierige Beziehung zwischen ihnen, über seine stressige Mutter und seinen stillen Vater gesprochen. Er hatte Hannah Bille vorgestellt und danach so wie jedes Mal beide beruhigt, dass sie nicht eifersüchtig sein müssten. Er hat Hannah vom
Steppenwolf
erzählt, vom Zen-Buddhismus und von Adorno und Marcuse. In diesem Stadium will er all das teilen, was ihm wichtig, was ihm bedeutsam erscheint.
    »Ist ja nicht so, dass ich mich dann
gar
nicht öffne«, schnaubt Bastian, als Herr G. fragt, warum er das alles so emotionslos erzähle. »Mir scheint’s nur eben danach immer alles so affig, wie ich dann immer bin. So gewollt«, er lacht spöttisch. »Und wie ich mich dann immer fühle. So pseudo-einzigartig. So konstruiert halt, im Nachhinein. Und am Ende ist dann ja sowieso alles immer gleich.«
    Irgendwann wird Bastian alles zu viel. Die Frauen fangen an, ihn zu überfordern. Bastian kriegt das Gefühl, dass sie ihn ändern wollen. Die Stimmung wird ihm zu ernst, zu unlocker, zu eng.
    So war es auch bei Hannah. Seine Witze und seine Plastikringe reichten ihr irgendwann nicht mehr. Sie meinte, er höre ihr nie richtig zu. Sie sagte, sie käme mit seinem Schlafrhythmus nicht klar. Mit dem Dreck in seiner Wohnung. Mit seinen Sauftouren mitten in der Woche. Und mit Billes ewigen Anrufen.
    Wie alle Frauen vor ihr verwandelte sich Hannah innerhalb weniger Wochen von dem großartigen, sinnlichen Geschöpf, das sie ein halbes Jahr lang für ihn gewesen war, zu einem anstrengenden Stresswesen, das ihn mit ihren Ansprüchen und ihren eigenen Problemen belastete. Plötzlich störte ihn alles an ihr. Bastian konnte es nicht ertragen, wie sie ihre Jacke einfach so auf sein Sofa warf, wenn sie reinkam. Auf
sein
Sofa. Denn auf einmal wollte er es nicht mehr teilen, und er konnte es nicht ausstehen, wenn dort etwas lag, das nicht ihm gehörte. Er konnte

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