»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«
Flugs lässt sich diese Tür nicht öffnen, auch wenn eine betagte Nudistin noch so dringend aussteigen möchte.
Doch als ich mich erst einmal an den Umgang mit Menschen im Flugzeug gewöhnt hatte, waren sie meine geringste Sorge. Ich werde nie vergessen, wie mir das Herz in die Hose rutschte, als sich die Kabine auf dem Weg von der Landebahn zum Gate plötzlich mit dichtem Qualm zu füllen begann. Die Passagiere sammelten hastig ihre Sachen zusammen und konnten ohne weitere Zwischenfälle die Maschine verlassen. Noch bevor die Feuerwehr und die Mechaniker eintrafen, hatte sich der Rauch wieder verzogen. Sie fanden zwar nicht heraus, was ihn ausgelöst hatte, aber die elegante Art und Weise, wie sie ein unauffindbares »Problem« als gelöst behandelten, war wirklich beeindruckend.
»Ich fliege keine kaputte Maschine!«, schrie der Kapitän aufgebracht in sein Diensttelefon. Er war ein alter Hase, der bereits für einige andere Airlines gearbeitet hatte. Beeindruckt von seinem Durchsetzungsvermögen reckte ich die Daumen. Er zwinkerte mir zu. Die Fluggesellschaft stellte ihm ein Ultimatum. Fluchend legte er auf. »Sagen Sie dem Gate, dass wir bereit fürs Boarding sind«, knurrte er. Eine Stunde später waren wir mit unserer kaputten Maschine wieder in der Luft.
Die Maschinen von Sun Jet waren in einem so miserablen Zustand, dass ich mir ernste Sorgen machte, wenn ich nicht die vertraute Computerstimme des automatischen Bodenwarnsystems aus dem Cockpit hörte, während ich auf meinem Klappsitz die Landung erwartete. Einmal fielen zwei Klappsitze während des Landeanflugs einfach von der Wand. Die beiden Flugbegleiterinnen neben der Cockpittür folgten dem für solche Situationen vorgeschriebenen Verfahren und baten die Passagiere der ersten Reihe, sich auf den Boden zu legen, weil die Maschine bis auf den letzten Platz ausgebucht war. Erstaunlicherweise gehorchten beide ohne Widerrede und legten sich mitten auf dem Gang flach auf den Rücken, während meine Kolleginnen sie mit ihren ausgestreckten Beinen schützten, bis das Flugzeug sicher am Boden war.
Jeden Dienstag wurden wir am Flughafen Long Beach von einem Mann mittleren Alters begrüßt. Die amerikanische Luftfahrtbehörde FAA überprüft normalerweise die Handbücher sämtlicher Flugbegleiter, um sicherzugehen, dass sie auf dem neuesten Stand sind. Falls nicht, drohen saftige Strafen. Bei Sun Jet händigten wir ihnen nicht nur unsere Handbücher aus, sondern gleich die ganze Maschine. Zumindest für ein paar Stunden, genauer gesagt, bis ein Mechaniker die weißen Glühbirnen durch rote ersetzt hatte – die dann allerdings nicht den Weg zum nächsten Notausgang, sondern zu den Plätzen zwei Sitzreihen dahinter wiesen.
Aber nicht nur die Airline war für solche eklatanten Mängel verantwortlich. Bei der Hälfte aller Fälle hatten wir es unseren Passagieren zu verdanken, dass uns die FAA die Hölle heißmachte. Beispielsweise mussten zehn Schwimmwesten ersetzt werden, nachdem eine Gruppe von Teenagern auf dem Weg in ihren Party-Urlaub beschlossen hatte, sie während des Flugs aufzublasen. Manche Passagiere nahmen auch gerne Souvenirs aus dem Flugzeug mit: Feuerlöscher, Aschenbecher, Erste-Hilfe-Koffer … All diese Gegenstände müssen an Bord sein, bevor die Maschine abheben darf. Ohne sie geht gar nichts, und bei normalen Fluggesellschaften gibt es deshalb immer Ersatz an Bord. Nicht so bei Sun Jet! Wir mussten nach Diebstählen und Sachbeschädigungen warten, bis die letzte Maschine um Mitternacht in Dallas gelandet war und zurückgeschickt werden konnte, um uns zu retten. Das war dann der Punkt, an dem sich die Regeln unseres Trinkspiels änderten – »Es zahlt, wer als Letzter in Dallas ankommt«, hieß es von da an.
Aber das war bei weitem nicht das Verrückteste an dem Job bei Sun Jet. Auch nicht die vielen Passagiere, die sich während des Flugs eine Zigarette anzündeten, weil sie dachten, ihr letztes Stündlein habe geschlagen. Nein, verrückt war, dass ich meine Arbeit trotz allem liebte! Ganz ehrlich. Ich meine, einen Job, bei dem man jeden Morgen ausschlafen darf, muss man doch lieben, oder? Und nur zwölf Arbeitstage pro Monat … wenn überhaupt. Verstehen Sie mich nicht falsch. Nicht dass ich so scharf darauf gewesen wäre, Getränke zu servieren oder Abfälle einzusammeln, aber Flexibilität, Freiheit, Teamgeist und die Freude darauf, was der nächste Tag wohl Spannendes bringen würde, waren einfach wunderbar. Außerdem konnte ich
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