»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«
auf eine Runde Drinks einladen. Jeden Nachmittag zwischen vier und fünf flogen drei Besatzungen von Dallas Fort Worth nach Newark, Long Beach und Fort Lauderdale, und alle kehrten laut Flugplan um Mitternacht nach Dallas zurück. Kaum hatte die Maschine den Boden berührt, scheuchten wir die Passagiere höflich hinaus, beteten, dass sich der Reinigungstrupp beeilen möge (was stets der Fall war und wiederum erklärt, weshalb unsere Maschinen nie richtig sauber waren), sorgten dafür, dass die nächsten Passagiere möglichst schnell auf ihren Plätzen saßen, und traten die Heimreise an. Die ganze Zeit hielten wir über einen eingeweihten Lotsen Kontakt zueinander. Nach Feierabend traf sich dann die gesamte Truppe, einschließlich der Piloten, in einer Kneipe einige Kilometer vom Flughafen entfernt, wo wir uns mit wilden Geschichten über in Handschellen abgeführte Passagiere amüsierten. Bis eines Abends ein Fluggast, der nach dem Hinflug von der Polizei abgeführt worden war und angeblich in Untersuchungshaft saß, sogar noch vor uns in der Bar war und in der Nische neben uns hockte. Ich war fassungslos. An diesem Abend lernte ich, nach welcher Devise Fluggesellschaften mit ungeliebten Gästen an Bord umgehen: Schmeiß sie aus dieser Maschine und setz sie in die nächste. Mit ein bisschen Glück springt dabei sogar noch ein Upgrade für den Passagier heraus, je nach Airline.
Bei Sun Jet verging keine Woche, in der nicht irgendjemand hochkant aus dem Flieger geworfen wurde. Einer dieser Kandidaten hatte sich kurz vor dem Abflug auf der Toilette eingeschlossen.
»Alles in Ordnung mit Ihnen, Sir?«, fragte meine Kollegin und klopfte an die Tür. »Sie müssen herauskommen. Wir starten gleich!«
Als er sich weigerte, aus der Toilette zu kommen, und auch auf mehrmalige Aufforderungen nicht reagierte, tat meine Kollegin, was man uns beigebracht hatte: Sie schloss von außen auf. Als sie die Tür aufschob, machte der Passagier vor Schreck einen Satz rückwärts, und die Nadel, die in seiner Vene steckte, flutschte heraus. Das Blut spritzte quer durch die Toilette und traf meine Kollegin, die daraufhin schreiend das Weite suchte. Ich glaube, sie hat noch am selben Tag gekündigt. Das Flugzeug wurde aus dem Verkehr gezogen. Und der Typ saß am Abend mit meinen Kollegen in der Bar, jede Wette.
Ein paar Tage später schob eine andere Kollegin ihre Hand in eine Sitztasche, als sie dem Putztrupp beim Saubermachen half, und stieß auf eine Spritze, die ein Passagier nach Gebrauch einfach dort entsorgt hatte. Bei der Vorstellung, einer unserer minderjährigen Gäste ohne Begleitung hätte sie entdeckt, packt mich heute noch das kalte Grausen. Vielleicht hat sie ja diesem berüchtigten Pornosternchen gehört, das halbnackt an Bord gekommen war und uns ihren unterernährten, mit blauen Flecken übersäten Körper präsentiert hatte? Die, die sich jedem männlichen Wesen gleich auf den Schoß setzte, das sie erkannte – und das taten sie alle. (Einschließlich der beiden alten Säcke im Cockpit, die sie erst aus ihrer Umklammerung entließen, nachdem sie Arm in Arm mit ihnen vor der Kamera posiert hatte.)
Aber Junkies und abgehalfterte Pornostars waren nicht unser einziges Problem. Die Senioren waren mindestens genauso außer Rand und Band. Eines Tages, ich informierte die Passagiere gerade über eine bevorstehende Notlandung – eine Notlandung! –, zeterte eine ältere Frau: »Wo ist mein Muffin! Ich will sofort meinen Muffin haben! Es ist mir scheißegal, was mit diesem blöden Flugzeug passiert!« Nachdem die Maschine sicher gelandet war, schaltete ich zu Hause den Fernseher ein und sah die alte Schachtel, die sich lautstark bei einem Lokalreporter über ihren Muffin beschwerte, den die Airline ihr unverschämterweise vorenthalten hatte.
Und dann war da noch die über Achtzigjährige, die beschloss, sich die Kleider vom Leib zu reißen, weil sie dringend »aus dem Bus aussteigen« musste. Was das eine mit dem anderen zu tun hatte, war und ist mir auch nicht ganz klar. Jedenfalls umklammerte sie mit ihren knorrigen Händen den Türgriff des Notausgangs und schrie aus vollem Hals: »Ich will sofort hier raus! Lassen Sie mich auf der Stelle aussteigen!« Keine Ahnung, was den anderen Passagieren mehr Angst einjagte – der Greisen-Striptease oder der vergebliche Versuch einer jungen Flugbegleiterin, mit aller Kraft ihre arthritischen Finger von dem Griff des Notausgangs zu lösen. Übrigens, keine Sorge: Während des
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