»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«
jemanden, an dem sie ihren Frust auslassen können. Und leider bin das oft ich.
»Ich will sofort Ihren Namen wissen«, maulte ein Mädchen im Teenageralter, weil ich die Tasche eines Mitreisenden nicht aus dem Fach nahm, in das sie ihr Gepäck legen wollte. Hat eigentlich noch irgendjemand Respekt vor anderen Menschen? Und wenn schon nicht mir gegenüber, dann doch zumindest vor demjenigen, der zuerst an Bord war.
»Wieso macht ihr diese Fächer nicht endlich mal größer?«, schrie ein Passagier, der verzweifelt versuchte, das Eckige ins Runde zu bekommen.
»Wir haben die Fächer erst im letzten Jahr vergrößert«, antwortete ich und schob ein paar Sachen zur Seite, um Platz zu schaffen. »Aber seitdem bringen die Passagiere noch größere Taschen mit an Bord.«
Das stimmt wirklich! Die Länge der Fächer wurde von fünfundvierzig auf dreiundfünfzig Zentimeter erweitert.
Obwohl ich wenig Erfahrung mit internationalen Flügen habe, bin ich ziemlich sicher, dass sich meine Kolleginnen nicht so oft entschuldigen müssen wie wir. Schließlich bleibt ihnen nicht nur das Gerangel um die Gepäckfächer erspart, sie haben auch sonst alles, was Passagiere glücklich macht: kuschelige Decken, Kissen, Kopfhörer, Bordfilme, Frühstück, Mittagessen, Abendessen, Snacks – manchmal sogar alles auf einem Flug! Und habe ich die Drinks schon erwähnt? Kostenlose alkoholische Getränke! Selbst in der Holzklasse. Na ja, zumindest in Europa. Und richtig gutes Zeug! Passagiere der First und Business-Class bekommen außerdem Zeitungen und Utensilien für die Übernachtung gratis, bei manchen Airlines sogar einen Seidenschlafanzug und Pantoffeln! Ist es da ein Wunder, dass die Leute auf internationalen Flügen so viel glücklicher wirken?
Es ist erwiesen, dass glückliche Menschen meist auch angenehmere Flüge erleben. Auf dieser Erkenntnis beruht meine Theorie, dass Inlandsflüge in Wahrheit gar nicht so übel sind, wie manche sie darstellen, sondern dass die Leute nur mit dem falschen Fuß aufgestanden sind. Mir ist ebenfalls aufgefallen, dass die Zahl der Passagiere, die unzufrieden sind und ihrem Unmut auch ohne jede Scheu Luft machen, in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist. Und deswegen bin ich es auch leid, mich ständig für die idiotischsten Dinge entschuldigen zu müssen, wie beispielsweise dafür, dass es zu viele Mittelplätze gibt. Einmal musste ich mich sogar dafür entschuldigen, dass wir eine letzte Sitzreihe in der Maschine hatten, die in den Augen meines Passagiers abgeschafft gehörte.
»Aber damit wäre doch die zweitletzte Reihe automatisch die letzte Reihe, und wir müssten auch sie abschaffen«, erwiderte ich lachend, um die Situation ein wenig zu entschärfen. Bedauerlicherweise fand der Passagier meine Erwiderung nicht ansatzweise komisch.
»Die Passagiere würden sich nie trauen, eine Flugbegleiterin anzuschreien, die ein Kleid trägt«, soll der Vorstand einer asiatischen Airline einmal gesagt haben – ein Seitenhieb auf die Flugbegleiterinnen von United Airlines, die ihren Dienst meist in Hosen verrichten. In Wirklichkeit zeigte seine Bemerkung nur, dass er keine Ahnung von amerikanischen Passagieren hat. Denn die machen leider keinerlei Unterschied. Sie brüllen jeden an, ob Flugbegleiterinnen oder weibliche Mitreisende in Kleidern.
Natürlich ist es am wirkungsvollsten, jemanden anzuschreien, der einen versteht. Das ist ein weiterer Vorteil von internationalen Flügen: Auf Inlandsflügen verstehen wir einander problemlos, auf internationalen Flügen sorgen Sprachbarrieren meist für etwas weniger lautstarke Auseinandersetzungen an Bord. Es gibt zwar auf jedem internationalen Flug Kolleginnen, die die jeweilige Landessprache sprechen, doch bei meiner Airline ist das immer nur eine einzige pro Kabine. Und wenn Sie der anderen Flugbegleiterin noch nicht einmal vermitteln können, dass Sie ihre bilinguale Kollegin sprechen wollen, geht der Flug so reibungslos weiter, wie er angefangen hat.
Die Mehrzahl der Flugbegleiter mit Fremdsprachenkenntnissen tragen die Flagge des Landes, dessen Sprache sie beherrschen, als Erkennungszeichen am Revers. Gäbe es eine eigene Flagge für Ghetto-Slang, würde ich die Barbara Billingsley (die Flugbegleiterin aus Die Reise in einem verrückten Flugzeug ) in mir zum Leben erwecken. Notfalls könnte ich es auch mit Yoda-Sprache versuchen, wenn ich dadurch die Aufmerksamkeit unserer Gäste vor Start und Landung auf mich ziehen könnte. Ansonsten haben die
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