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»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«

»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«

Titel: »Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Poole
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bewegten sich klappernd in Richtung Rezeption. Jede von ihnen hatte einen Trolley im Schlepptau, der genauso aussah wie meiner, dazu einen riesigen Hartschalenkoffer mit Rollen. Weitere Fragen kamen mir in den Kopf. Ich hätte den ganzen Tag hier verbringen und den ausländischen Crews zusehen können. Vielleicht würde sich ja sogar ein Gespräch ergeben. Aber mein Pilot war leider pünktlich und hatte überhaupt keine Lust, mit mir in der Lobby zu sitzen – schließlich waren wir nur wenige Minuten Fußmarsch entfernt von einer billigen Kneipe mit Fassbier, überwürzten Chicken wings und fetttriefenden Pommes frites.
    Aber nicht jeder Pilot ist so immun gegen den Duft der großen weiten Welt. Das bewies Janes neuer Freund, ein Airbus-Kapitän aus Miami. Ich lief ihm zufällig in unserem Layover-Hotel in São Paulo über den Weg, als ich vor dem Rückflug noch einen Happen essen wollte. Er trat durch die Drehtür, gefolgt von zehn übermüdeten Flugbegleiterinnen und zwei mit Tennisschlägern bewaffneten Co-Piloten. Ich erkannte Janes Herzblatt auf Anhieb, denn auf ihrem Nachttisch stand ein gerahmtes Foto, das die beiden auf einem Berggipfel zeigte. Händchenhaltend und mit ihren Fahrradhelmen unterm Arm standen sie da, während im Hintergrund ihre völlig verdreckten Mountainbikes auf dem Boden lagen. »Und, was haben Sie so vor, während Sie hier sind?«, fragte ich aus reiner Höflichkeit, nachdem ich mich als Janes Mitbewohnerin vorgestellt hatte.
    Einer der beiden jüngeren Co-Piloten drehte sich um und schlug ihm herzhaft auf den Rücken. An seiner linken Hand steckte ein goldener Ehering. »Er geht mit mir an den Pool. Wir wollten mal sehen, was die Mädels von Finn Air so machen. Wie man hört, sonnen sie sich oben ohne.«
    »Ach, tatsächlich?«, fragte ich unschuldig. Janes Herzblatt lief dunkelrot an.
    Eine halbe Stunde später stand ich, mit der strikten Anweisung aus New York, umgehend herauszufinden, was da lief, an der Glastür zum Dachpool und spähte hinaus. Zu meiner grenzenlosen Erleichterung stellte ich fest, dass dort zwar tatsächlich vier attraktive Blondinen in String-Bikinis am Pool lagen, alle acht Brustwarzen jedoch, wenn auch spärlich, bedeckt waren. Und war es möglich, dass der gutgebaute, braungebrannte Sonnyboy, der da aus dem Pool stieg, ein Finn-Air-Pilot war, der sich gerade ausmalte, wie die blonde Amerikanerin da an der Tür wohl im Bikini aussah?
    »Würde ich so viel verdienen, wie die Passagiere immer meinen, so wenig arbeiten, wie die Nachbarn glauben, und mich während meiner Layovers so gut amüsieren, wie meine Freunde vermuten, wäre ich der glücklichste Mensch der Welt!«, behauptete ein Freund von mir, nachdem ich versucht hatte, ihm näherzubringen, wie die Arbeit für eine Airline aussah, wenn man sich noch nicht die tollen Auslandsflüge unter den Nagel reißen konnte.
    Ein Tipp: Sollten Sie eine Flugbegleiterin kennenlernen und herausfinden wollen, ob sie internationale Ziele anfliegt, brauchen Sie sie nicht erst danach zu fragen. Spätestens nach zehn Minuten wird sie von ganz allein damit anfangen. Sie können aber auch einen Blick in die Zentrale am Flughafen werfen und schauen, ob sie direkt nach ihrem Eintreten von zahlreichen aufgeregten Anfängerinnen umzingelt wird, die ihr und den anderen dienstälteren Kolleginnen neidvoll zuhören. Es fängt meistens ganz harmlos an, wird dann jedoch mit jeder Minute unerträglicher.
    »Fliegt heute jemand zufällig nach Paris?«
    »Nein, ich habe Tokio. Schon wieder.«
    »Ich dachte, du hättest die Karibik bekommen.«
    »Nein, ich wollte mal was anderes ausprobieren. Warst du schon in dem neuen Layover-Hotel in Delhi?«
    »Nein, aber ich habe gehört, das in Frankfurt soll auch ganz toll sein.«
    Wir anderen drucken schweigend unsere Streckenpläne für diesen Tag aus und sehen zu, dass wir so schnell wie möglich zu unserem Gate kommen, um eine winzige Maschine nach Jacksonville zu besteigen. In solchen Momenten scheint unser Job auf einen Schlag noch glanzloser, als er es ohnehin schon ist. Ach so: Wenn es sich anhört, als wäre ich neidisch, liegt es daran, dass ich es bin! Das kann mir doch keiner verdenken, oder?
    Den meisten internationalen Flugbegleiterinnen ist offenbar nicht klar, dass Neulinge sich ihrer Stufe auf der Hierarchieleiter nur allzu bewusst sind. Es besteht also keine Notwendigkeit, es uns noch zusätzlich aufs Brot zu schmieren! Ihr Alter und ihre Uniformgröße verraten uns schon auf den

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