Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«

»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«

Titel: »Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Poole
Vom Netzwerk:
Meine Zimmergenossin war bereits Großmutter! Gab es zwei Menschen auf diesem Planeten, die noch weniger Gemeinsamkeiten hatten als wir beide?
    Bei jeder anständigen Castingshow ist das Umstyling das erste große Highlight. An unserem ersten Ausbildungstag stand ebenfalls unser Äußeres im Mittelpunkt. Wie jeder weiß, gibt es zwei Dinge, zu denen eine Flugbegleiterin bereit sein muss: überall hinzufliegen und sich die Haare abschneiden zu lassen. Leider habe ich ziemlich komplizierte Haare, die irgendwo zwischen wellig und kraus rangieren. Deshalb entscheiden in meinem Fall Faktoren wie Wetter, Wasser, Stylingprodukte und die Watt-Zahl des Föns darüber, ob die Frisur sitzt. Vorsorglich hatte ich mir meine blonden Locken von einem renommierten Friseur abschneiden lassen, um zu verhindern, dass irgendein von der Fluggesellschaft engagierter Amateur sich an ihnen vergriff. Meiner Ansicht nach war das Ergebnis der Hammer. Lernen sollte ich trotzdem einiges: Da krauses Haar bei einer Flugbegleiterin ein klares No-Go ist, und zwar unabhängig davon, welche Luftfeuchtigkeit gerade herrscht, brachte man mir bei, es mit Hilfe von etwa hundert Haarnadeln und einer ganzen Dose Haarspray in einem klassischen Chignon-Knoten zu bändigen. Es sah in der Tat gut aus. Auch wenn meine Kopfhaut ganz schön brannte.
    Georgia überstand das Umstyling selbstverständlich ohne die kleinste Veränderung. »Bildschön«, »atemberaubend« und »unglaublich anmutig« – das waren die Worte, mit denen die Ausbilder sie umschrieben und sie praktisch unter stehenden Ovationen durchwinkten. Mit ihrer makellosen Schönheit, die sie im Laufe ihrer Karriere als Beauty-Queen schon früh perfektioniert hatte, war sie das personifizierte Aushängeschild für ihren neuen Arbeitgeber. Man konnte sich nur fragen, wieso sie sie nicht gleich als leitende Stylistin engagierten. Dieses Mädchen schaffte es, mit einem Hauch Lipgloss, einem Satz falscher Wimpern und einem Push-up- BH wahre Wunder zu vollbringen. Die Ausbilder forderten uns ununterbrochen auf, uns genau einzuprägen, wie sie sich die Lippen nachzog, ihre Wangenknochen und den perfekten Schwung ihrer Brauen betonte, sich die Augen schminkte oder die Haare frisierte. Einige unserer Mitschülerinnen entwickelten spontan eine tiefe Abneigung gegen sie, doch andere, allen voran die männlichen Kursteilnehmer, betrachteten sie voller Bewunderung und nahmen sich jeden ihrer Beautytipps zu Herzen.
    Linda dagegen wurde von Kopf bis Fuß umgemodelt, was niemanden sonderlich wunderte, nicht einmal sie selbst. Man hatte uns in Zehnergruppen eingeteilt und in den hauseigenen Schönheitssalon gebracht. Na ja, in Wahrheit handelte es sich bei dem »Salon« um ein Zimmer am Ende eines langen Flurs und war mit keinem der Beauty-Tempel vergleichbar, die ich bislang betreten hatte. Linda setzte sich als Letzte vor den hellerleuchteten Spiegel. Obwohl sich ihre Kiefermuskulatur nicht ein einziges Mal während der stundenlangen Prozedur entspannte, gab sie keinen Mucks von sich. Selbst als die Stylistin, die in beängstigendem Maße einer Barbie-Puppe ähnelte, den blauen Glitzerlidschatten entfernte und ihr mit strenger Stimme befahl, niemals wieder eine derart grauenhafte Farbe zu benutzen. An die Stelle des metallicblauen Lidschattens trat ein dezentes Mauve, aus ihrer Frisur wurde merklich Luft abgelassen, und die Glitzerohrringe wichen einer konservativeren Variante, die kaum größer als eine Vierteldollarmünze war. Da nur zwei Ringe pro Hand erlaubt waren, trennte Linda sich von vier ihrer auffälligen Goldklunker. Natürlich sind auch Cowboystiefel nicht gerade die idealen Begleiter für eine Uniform, und so fuhr Linda mit dem Taxi ins nächste Einkaufszentrum und kaufte sich ein Paar schlichte Lederpumps ohne Schnickschnack und mit der vorgeschriebenen Mindestabsatzhöhe von drei Zentimetern.
    »Vergessen Sie nicht, dass Sie dieses Outfit während der gesamten Ausbildung tragen werden«, erklärte die Ausbilderin, bevor sie uns für diesen ersten Tag entließ.
    »Auch nach Feierabend und am Wochenende?« Alle Köpfe fuhren zu dem Kerl herum, der es gewagt hatte, eine so dreiste Frage zu stellen. Joseph, ein großer, kräftiger Typ, der aussah, als laufe er am liebsten in Jogginghose und Sweatshirts herum, grinste verlegen in die Runde.
    »Ja, auch nach Feierabend und am Wochenende«, gab sie zurück. Ihre Worte hallten in meinem Kopf wider, als ich mich spät an jenem Abend in den Fitnessraum

Weitere Kostenlose Bücher