»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«
auf die Stirn trieb, war das Erste-Hilfe-Training. Ich werde nie den Tag vergessen, als die lässigste unserer Ausbilderinnen vor versammelter Mannschaft eine Babypuppe auf den Tisch legte und meinte, wir sollten uns vorstellen, eine Passagierin rufe uns herbei, weil ihr Baby plötzlich blau anlaufe. Die Ausbilderin packte die nackte Puppe und überprüfte die Atmung. Sie legte sie mit dem Rücken auf ihren Unterarm, wobei sie mit einer Hand das Köpfchen stützte, dann drehte sie sie auf den Bauch, balancierte sie auf dem anderen Arm, den sie auf ihrem Oberschenkel abgelegt hatte, und fing an, mit der Handfläche auf ihren Brustkorb einzudreschen – bumm, bumm, bumm! Anschließend drehte sie die Puppe wieder auf den Rücken und drückte mit zwei Fingern dreimal hintereinander kräftig auf die zerschrammte, leicht ausgeblichene Plastikbrust. Wortlos sahen wir zu, wie sie das Plastikbaby umdrehte und schlug, wieder umdrehte und ihm auf die Brust drückte, bis das Baby ausspuckte, woran es sich auch immer verschluckt haben mochte. Ihr langer blonder Pferdeschwanz wippte im Takt dazu. Danach wiegte sie die Puppe behutsam im Arm und sagte, in der Theorie habe sie das kleine Leben zwar retten können, in der Realität jedoch sei es ihr damals nicht gelungen. Eine Kollegin sprang eilig ein, als sie die Tränen in ihren Augen bemerkte. Danach probten wir nacheinander das sogenannte »Heimlich-Manöver« an der Babypuppe, bevor wir die korrekten Soforthilfe-Griffe für Kleinkinder, Erwachsene und Schwangere lernten. Als Nächstes kam die Wiederbelebung an die Reihe. Dutzende lebensgroßer Dummys lagen nebeneinander auf dem Boden. In unserem Kursraum sah es aus wie in einem Horrorfilm oder, noch schlimmer, einem Leichenschauhaus. Eine gefühlte Ewigkeit lang bearbeitete ich mit aller Kraft eine Plastikbrust, die sich unter meinen Händen kaum bewegte, und zählte bis sechzig, während meine Partnerin zweimal beatmete.
Aber sooft ich die Checkliste auch durchging, ich konnte mir einfach nicht merken, wie ich mich im Fall eines bewusstlosen, nicht atmenden Fluggastes verhalten sollte. Also stellte ich eine Lerngruppe für all jene auf die Beine, die ebenfalls ihre Probleme damit hatten. Wir trafen uns nach dem Abendessen auf dem Flur, um die einzelnen Methoden durchzuspielen. Georgia mimte die Bewusstlose. Ein lila Haargummi um ihr Handgelenk diente als Notfallarmband, das sie als Diabetikerin auswies. Linda war die Krankenschwester, die sich meldete, nachdem wir vergeblich nach einem Arzt an Bord gerufen hatten. Als wir uns nach ihren Qualifikationen erkundigten, stellte sich jedoch heraus, dass sie in Wahrheit keine medizinische Ausbildung hatte. Wie hinterhältig von ihr! Joseph rannte los, um Sauerstoff und den Erste-Hilfe-Koffer zu holen, während Linda, die sich inzwischen wieder in eine Flugbegleiterin zurückverwandelt hatte, den Kapitän über die Ereignisse an Bord informierte. Mit Nasenbluten, Übelkeit, Diabetes-Schock und Krampfanfällen konnte ich mittlerweile gut umgehen, aber die Vorstellung, jemand könnte das Bewusstsein verlieren, jagte mir immer noch eine Heidenangst ein. Allein die leblose Georgia über die Armlehne und auf den Gang zu ziehen, um die Wiederbelebung einzuleiten, war für mich fast unerträglich. Und könnte ich im Ernstfall überhaupt einen erwachsenen Mann an den Füßen zum Notausgang schleifen, um ihn über die Notfallrutsche zu evakuieren? Tausend Mal lieber hätte ich mich mit einem Defekt in der Hydraulik oder einem brennenden Triebwerk herumgeschlagen als mit einem einzigen medizinischen Notfall.
Obwohl ich natürlich wusste, dass es nur ein Rollenspiel war, fühlte sich das Ganze für mich schrecklich real an, und ich stand pausenlos unter Zeitdruck. Weil uns innerhalb kürzester Zeit eine schier unendliche Fülle an Informationen um die Ohren gehauen wurde, waren die siebeneinhalb Wochen Ausbildung für mich anstrengender als vier Jahre auf dem College. Die einzelnen Aufgaben waren im Grunde nicht weiter schwierig, aber der gesamte Lehrgang war darauf angelegt, unsere Belastbarkeit zu testen. Die Airline musste wissen, wie wir in heiklen Situationen reagierten, und uns einen Vorgeschmack auf den tatsächlichen Alltag an Bord geben. Auf diese Weise wurden all jene ausgesiebt, die dem Druck nicht standhielten; zwangsläufig trennte sich die Spreu vom Weizen. Sowohl mental als auch physisch trieben sie uns regelmäßig an unsere Grenzen. Während unsere Erschöpfung mit jedem Tag
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