»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«
eine Destination angeflogen wird, von der aus es noch am selben Tag wieder zum Ausgangsflughafen zurückgeht. Eigentlich sollten wir nur zusehen, hieß es. Es sei denn, die Crew erlaube uns, beim Ausgeben der Speisen und Getränke zu helfen oder Abfall einzusammeln. Im unwahrscheinlichen Fall, dass auf dem Flug etwas schieflaufe, sollten wir uns einfach in eine Ecke setzen und den anderen nicht im Weg stehen.
Nashville, Kansas City, Fort Lauderdale, Detroit, Salt Lake City – ich kann mich beim besten Willen nicht erinnern, wohin die Reise ging, weil ich viel zu aufgeregt war, zum ersten Mal meine Uniform tragen zu dürfen. Woran ich mich aber sehr wohl noch erinnere, ist, dass wir vor Vorfreude völlig aus dem Häuschen waren in unseren teilweise noch gar nicht sitzenden Monturen. Der Saum meines Rocks beispielsweise reichte ein gutes Stück bis übers Knie, was so nicht bleiben durfte. Im Gegensatz zu uns schien die Crew, ein ziemlich müde und abgekämpft wirkender Haufen, alles andere als begeistert über unsere Anwesenheit. Ohne mich zu fragen, hatten meine beiden Kurskolleginnen beschlossen, in der Economy zu helfen, während ich die Kollegen in der First Class unterstützen sollte. Wie Sie wissen, hatte ich bereits erste Erfahrungen als Flugbegleiterin, doch die Leistungen von Sun Jet waren nicht einmal ansatzweise mit dem hier gebotenen Service vergleichbar gewesen. Obwohl niemand von mir erwartete, dass ich die Flugbegleiter aktiv bei der Arbeit unterstützte, hatte ich schreckliche Angst, ich könnte etwas falsch machen.
»Nur die Ruhe«, beschwichtigte mich die Flugbegleiterin, die mir alles zeigen sollte, und ließ ein Lachen hören, das eher nach einem fiesen Gackern klang. Sie öffnete eine Dose Mineralwasser und goss den Inhalt in ein Glas. »Es gibt nur einen Weg, diesen Job zu lernen: rein ins kalte Wasser und schwimmen.« Mit einem roten Cocktailspieß piekste sie in einen Zitronenschnitz, dekorierte das Glas und stellte dieses auf ein Silbertablett. »So, das hier geht zu 2B.« Mit diesen Worten drückte sie mir das Tablett in die Hand.
Als ich in die Bordküche zurückkehrte, sah sie mich an und fragte: »Was hältst du davon, wenn du den Service einfach allein übernimmst?«
Mir blieb die Luft weg. »Ernsthaft?«, japste ich. Offen gestanden hielt ich das für keine besonders gute Idee.
»Wieso nicht? Hier ist eine Liste mit den Getränke- und Speisenbestellungen, und in den Wagen findest du alles, was du brauchst. Ich bleibe in der Nähe, falls es Probleme geben sollte. Wenn du etwas brauchst, sag einfach Bescheid.« Und damit ließ sie sich auf einen Klappsitz fallen und zog ein Buch – Der falsche Prinz. Erfolgsfrauen und ihre Partner – aus ihrer Handtasche.
Während sie sich in ihre Lektüre vertiefte, tat ich, was eigentlich nicht vorgesehen gewesen war: Ich machte den gesamten Service der First Class. Sogar die Sicherung der Tür übernahm ich und kniete mich auf den schmutzigen, nassen Boden, um die Notfallrutsche anzubringen und wieder zu entfernen. Meine beiden Mitstreiterinnen aus der Akademie ließen sich während des gesamten Flugs kein einziges Mal blicken. Vielleicht hatten sie ja Angst, man könnte etwas anderes von ihnen verlangen, als die Abfälle einzusammeln. Nach dem Flug bedankte ich mich bei der Frau mit dem falschen Prinzen dafür, dass ich ihre Arbeit hatte erledigen dürfen – selbstverständlich, ohne einen Cent dafür zu bekommen –, und schwärmte in den höchsten Tönen davon, wie nett sie gewesen sei. Unseren Ausbildern verschwieg ich mein Abenteuer wohlweislich, schließlich wollte ich mir keinen Ärger einhandeln.
Insgesamt dauerte unsere praktische Ausbildung zwei Wochen, während der wir zwei Übungsflüge mitmachten, einen in einer kleinen und einen in einer Großraummaschine. So konnten wir zumindest erahnen, was uns in Zukunft erwartete. An meinen Flug in der Großraummaschine habe ich leider nur eine sehr verschwommene Erinnerung, da mich damals eine fürchterliche Mandelentzündung heimsuchte. Eine Ausbilderin nahm mich beiseite und riet mir, vor, während und nach dem Flug ein hochwirksames Grippemittel einzunehmen. Völlig benommen von dieser Überdosis gelang es mir kaum, den Leuten ihre Getränke zu reichen. Als eine der Flugbegleiterinnen merkte, wie schlecht es mir ging, beförderte sie mich auf einen der freien Plätze in der Business-Class. Dort blieb ich, bis wir gelandet waren. Ich weiß noch, dass ich irgendwann zwischen zwei
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