»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«
an meine zugeteilten zehn Minuten pro Tag zu halten, doch das Badezimmer war so ekelhaft, dass ich mich keine Sekunde länger darin aufhielt als unbedingt notwendig. Bald verband mich eine innige Freundschaft mit meinen Badelatschen.
Weil wir zu so vielen in einem Raum schliefen und mehr Zeit zum Duschen blieb, wenn man auf das Schminken im Bad verzichtete, musste das Wohnzimmer als Garderobe herhalten. Zwei Schminktische standen an der Wand zwischen dem Sofa und dem riesigen Fernseher. Wer früh rausmusste, packte seine Sachen schon am Vorabend und parkte sie, inklusive Lockenwicklern und Make-up, auf dem Wohnzimmerboden, um am nächsten Morgen niemanden unnötig zu stören.
Damals könnten durchaus sechzig Flugbegleiterinnen in diesem Haus gelebt haben – es herrschte ein solches Kommen und Gehen, dass wohl niemand die genaue Anzahl beziffern konnte. Eigentlich sollte man annehmen, dass bei so vielen Bewohnern ständig der Teufel los war, aber in Wahrheit war das genaue Gegenteil der Fall. An vielen Abenden saß ich mutterseelenallein zu Hause. Und deprimiert. Anfangs versuchte ich noch, mich jedem Neuankömmling vorzustellen, aber dann ging mir auf, dass ich so gut wie kein Gesicht ein zweites Mal sah. Also lächelte ich nur und sagte hallo … bis ich mir auch das Lächeln sparte und nur noch hallo sagte. Genau wie Marge.
Hier ein kleines Einmaleins der Flieger- WG s:
Jeder Flugbegleiter hat eine Basis, also eine Stadt, in der seine oder ihre Flüge starten und auch wieder landen. Unter »Pendeln« versteht man die Hin- und Rückreise zu beziehungsweise von seiner Basis, die man per Flugzeug antritt. Einige in New York stationierte Flugbegleiter haben ihren eigentlichen Wohnsitz auf Hawaii oder sogar in Europa. Die meisten bevorzugen »pendlerfreundliche Flüge«, die so spät starten oder so früh landen, dass sie innerhalb eines Tages ihre Flüge absolvieren können und keinen wertvollen freien Tag vergeuden.
In der Regel arbeitet ein Flugbegleiter fünfundsiebzig bis achtzig Stunden pro Monat, allerdings sind damit reine Flugstunden gemeint. Die Zeit am Boden zählt nicht dazu, offiziell beginnt die Stechuhr erst zu laufen, wenn die Türen der Maschine geschlossen sind und sie sich von der Fluggastbrücke löst. Auch das Boarding, während dem die Flugbegleiterin Sie begrüßt, wird nicht bezahlt. Deswegen treffen uns Verspätungen genauso wie die Passagiere, vielleicht sogar noch härter. Der Vorteil an diesem System ist jedoch, dass wir problemlos Flüge tauschen und füreinander einspringen können. Und das tun wir auch. Pendler können so ihre Arbeitszeit aufpolstern: Sie legen sich mehrere Flüge direkt hintereinander, maximieren ihre reine Flugzeit und gewinnen dadurch ein paar Tage daheim. Für sie sind Langstreckenflüge, auf denen sie schneller ihre erforderlichen Arbeitsstunden zusammenbekommen, besonders reizvoll. Aber auch ein Vierstundenflug schluckt schon weniger Zeit als zwei Zweistundenflüge. Die Bezahlung ist dabei übrigens exakt dieselbe.
Normalerweise hat ein Flugbegleiter keine großen Ansprüche an die Übernachtungsmöglichkeit zwischen zwei Flügen. Wir verbringen dann ohnehin nur sehr wenig Zeit in den Städten. Deshalb sind Crashpads so praktisch: An ihnen kann man – wie der Name schon sagt – zwischen zwei Flügen kurz zusammenbrechen und ein paar Stunden schlafen. Ein Crashpad kann ein großes Apartment sein, ein einzelnes Zimmer oder sogar die Couch einer Freundin. In manchen dieser Wohngemeinschften sind ausschließlich Männer erlaubt, in anderen nur Frauen, wieder andere sind gemischt, wobei üblicherweise Frauen und Männer in verschiedenen Räumen untergebracht sind. Aber nicht zwangsläufig. Außerdem gibt es Crashpads für Flugbegleiter und solche für Piloten. Auch hier gibt es Ausnahmen – doch im selben Zimmer wird man Piloten und Flugbegleiter nie antreffen.
Die Kosten pro Mieter variieren zwischen 100 und 300 Dollar pro Monat, das ist abhängig von der Größe des Zimmers und der Anzahl der Mitbewohner. Einige wenige Flugbegleiter nehmen sogar die Extrakosten für ein Einzelzimmer in Kauf, die meisten versuchen jedoch, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten. Stockbetten machen’s möglich. Auch hier ist die Betriebszugehörigkeit ein ganz wesentliches Kriterium. Die besten Betten – die unteren, die möglichst weit weg von den Türen und dem Lichtschalter stehen – werden in aller Regel von den dienstältesten Bewohnern belegt, während den
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