»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«
Anfängern stets die oberen Betten zugeteilt werden. Für die Zimmer selbst gilt dasselbe Prinzip: Die Seniors bewohnen immer die oberen Etagen, in denen weniger Trubel herrscht.
Manche Flugbegleiter teilen sich sogar ihre Betten, um noch mehr zu sparen. »Hot Beds« werden diese Betten genannt, weil sie aufgrund des ständigen Kommens und Gehens praktisch rund um die Uhr warm bleiben. Vor der Abreise werden Kissen und Bettwäsche einfach zu den restlichen Habseligkeiten gelegt, damit der nächste Flugbegleiter das Bett benutzen kann. Dabei gilt die Devise: »Wer zuerst kommt, mahlt zuerst.« Wer sich also zuerst in die Belegungsliste für ein Bett einträgt, hat den Schlafplatz für die gewünschte Nacht sicher und kann seine Arbeitseinsätze darauf abstimmen.
Natürlich haben Pendler auch andere Alternativen: Manche übernachten in Flughafenhotels, die uns Sonderpreise und einen kostenlosen Shuttle-Service anbieten. Ein paar von ihnen teilen sich aus Kostengründen Hotelzimmer mit einem anderen Flugbegleiter, gelegentlich sogar mit wildfremden. Dabei spielt es noch nicht einmal eine Rolle, ob sie für dieselbe Airline arbeiten. Unser Job ist ohnehin immer derselbe – völlig egal, wo und für wen man ihn ausübt. Außerdem wissen wir, dass jeder auf Herz und Nieren überprüft wird, bevor er einen Arbeitsvertrag unterschreibt, und haben deshalb sozusagen Grundvertrauen zueinander.
Wenn sich also zwei nicht uniformierte Flugbegleiter während oder nach einem Flug kennenlernen und feststellen, dass keiner von ihnen in einer Flieger- WG unterkommt, kann es passieren, dass sie sich zusammentun und gemeinsam ein Hotelzimmer nehmen. Die Regeln sind denkbar einfach: kein Smalltalk, das Handy auf Vibrationsalarm, Telefonate in der Hotellobby führen und fix und fertig gepackt haben, bevor das Licht ausgeschaltet wird. Pendler wollen geregelte Abläufe. Rein ins Zimmer, schlafen, raus aus dem Zimmer. Das ist alles, worum es geht. Manchmal frage ich mich, in welcher anderen Branche außer der Prostitution zwei Menschen, die sich gerade erst kennengelernt haben, einander ausreichend Vertrauen entgegenbringen, um eine Nacht im selben Zimmer zu verbringen.
Einige wenige Pendler haben sich für die kostengünstigste (für mein Empfinden allerdings auch die unbequemste) Alternative entschieden: Sie »leben« zwischen zwei Trips gewissermaßen auf dem Flughafen. Vor dem 11. September konnte man sich problemlos in der First Class einer leeren Maschine schlafen legen. Obwohl offiziell natürlich niemand den Flughafen als Wohnsitz nutzen darf, gibt es Flugbegleiter, die genau das tun. Manche haben sich sogar zu Gruppen zusammengefunden, ähnlich den Studentenverbindungen an der Uni. Tagsüber fahren sie mit dem Bus nach Jamaica oder Kew Gardens, um zum Friseur oder ins Nagelstudio zu gehen, oder, noch besser, machen Ausflüge in die Stadt, um sich in Chinatown gefälschte Designerhandtaschen zu kaufen. Abends gibt es Partys mit Essen vom Lieferservice. Als Schlafplätze dienen ihnen die »Ruheräume«, abgedunkelte Zimmer mit gepolsterten Sesseln, in denen sich eigentlich Flugbegleiter bei einem langen Zwischenaufenthalt erholen sollen.
Doch wer auf dem Flughafen lebt, muss jede Menge ungeschriebener Gesetze beachten; eines davon betrifft den Sessel in der hinteren rechten Ecke des Ruheraums: Er gehört Kat. Niemand sonst darf darauf sitzen. Gnade Gott der Flugbegleiterin, die zufällig Kats Lieblingsplatz beansprucht. Das Problem ist, dass er eigentlich genauso aussieht wie alle anderen, lediglich ein Ventilator und eine kleine Holzkommode mit einer hübschen kleinen Lampe darauf unterscheiden ihn von den anderen Sesseln im Saal. Wagt es ein Flugbegleiter, nachts zu laut zu sein, rückt Kat dem Übeltäter mit ihrer Dienst-Taschenlampe zu Leibe. Wer die Gepflogenheiten im Ruheraum nicht kennt und versehentlich auf dem verkehrten Sessel landet, kann mitten in der Nacht unsanft aus dem Schlaf gerüttelt und von den anderen quer durch den Raum aus dem Weg geschoben werden.
Trotz all dieser Möglichkeiten: Jede pendelnde Flugbegleiterin wird, sobald sich die Gelegenheit bietet, nach Hause fliegen – und wenn nur fünf Stunden im eigenen Bett dabei für sie rausspringen.
Es gibt sogar Pendler (und auch eine Handvoll Nicht-Pendler), die auf dem Parkplatz des JFK -Flughafens leben. Dort stehen ihre Wohnmobile sowie die anderen Häuser auf Rädern dicht an dicht am hinteren Zaun. Werden es zu viele, schreitet die allmächtige
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