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»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«

»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«

Titel: »Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Poole
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JFK und Newark. Schließlich mussten wir vor unserem ersten Einsatz wissen, wie wir vom Mitarbeiterparkplatz zum Terminal, durch die Sicherheitskontrollen und in unsere Maschinen kamen. Bevor ich mich anzog, bot ich an, uns ein Taxi zu rufen.
    »Kew Gardens!«, meldete sich eine vertraute Reibeisenstimme.
    Nachdem ich meinen Namen und die Adresse durchgegeben hatte, brach der Mann am anderen Ende der Leitung in schallendes Gelächter aus.
    »Was ist denn so lustig?«, fragte ich.
    »Und? Hat Miss Louisiana eine geruhsame Nacht verbracht?«
    Er war es. Eddie, der verrückte Alte, der nicht nur als Fahrer bei Kew Gardens arbeitete, sondern auch in der Zentrale saß. Weil am Vorabend nicht genügend Fahrer im Einsatz gewesen waren, hatte er sich selbst die Schlüssel geschnappt und sich auf den Weg gemacht. Ich wusste seit letzter Nacht, dass Eddie und ich keine Freunde werden würden. Als Texanerin war ich keine unhöflichen Klötze gewöhnt, die ohne Rücksicht auf andere ihre Meinung in die Welt hinausposaunten. Aber da in New York so gut wie alles Neuland für mich war, musste ich mich wohl oder übel auf Eddie verlassen – und das ließ er mich auch spüren.
    »Schicken Sie einfach einen Wagen her, und zwar schnell!«, herrschte ich ihn schließlich an.
    Georgia starrte mich ungläubig an. »Du solltest dich mal reden hören, Miss New York!«
    Schneller als gedacht hatte ich mich an die New Yorker Umgangsformen angepasst. Ob das jetzt gut oder schlecht war, würde die Zeit noch zeigen.

Abflug!
    Flugbegleiter auf Abruf haben kein Leben. Überhaupt keines. Zero. Die eine Hälfte des Tages laufen wir im Schlafanzug herum und warten auf den Anruf der Airline, während wir uns bei jedem, der es hören will oder nicht, über unser Schicksal beklagen. Die andere Hälfte geht dafür drauf, anderen zu erklären, dass wir ja in Wahrheit arbeiten – nur eben nicht in einem Flugzeug, sondern zu Hause, wo wir festsitzen und nicht das tun können, was wir gern tun würden. Das erklärt wohl, weshalb in jedem Reservemonat zweimal die gesamte Socken- und Unterwäscheschublade komplett neu sortiert wird. Dazu läuft dann ununterbrochen der Wetterkanal. Sobald sich das Wetter verschlechtert, fallen automatisch Crews aus, weil sie irgendwo festhängen, und wenn das eingeplante Team nicht fliegen kann, werden die Reservisten telefonisch zum Flughafen beordert. Der Reservedienst hat nur einen einzigen Vorteil: Auf diese Weise kriegen wir die Chance auf einen Flug, an den wir sonst in einer Million Jahren nicht herankommen würden. Denn logischerweise werden die beliebtesten Destinationen von den Dienstältesten geflogen, und nur wenn sie krank sind, bietet sich den jüngeren Kollegen die Chance auf ihre Strecken.
    Das Ganze läuft folgendermaßen ab: Jede Fluggesellschaft verfügt über eine bestimmte Auswahl an Stammstrecken, für die sich jeder Flugbegleiter jeden Monat aufs Neue eintragen lassen kann. Bei meiner Airline sind es mehr als zweihundert mit jeweils drei bis zehn Einsatzpositionen, je nach Maschinentyp. Wer welche Strecken zugeteilt bekommt, richtet sich nach der Betriebszugehörigkeit. Deshalb findet man auf Asien- und Europaflügen grundsätzlich die dienstältesten Flugbegleiter, und das Bodenpersonal in Honolulu reißt Witze darüber, ob die Rollstühle, die bei der Ankunft bereitgestellt werden müssen, für die Passagiere oder für die nicht mehr ganz so frischen Flugbegleiter gedacht sind. Eine altgediente Mitarbeiterin sollte sich für möglichst viele Strecken und Positionen vormerken lassen, um sicherzustellen, dass sie keinen Fehlgriff landet und am Ende eine ungeliebte Strecke zugeteilt bekommt.
    Während die regulären Flugbegleiter unter verschiedenen Strecken wählen können, müssen die Reservisten nehmen, was kommt. Ein Flugbegleiter mit einer günstigen Streckeneinteilung kann es auf zehn bis zwanzig freie Tage im Monat bringen, je nach Dienstalter. Einer auf Reserve schafft im Schnitt gerade einmal zehn freie Tage, unterteilt in drei oder vier Blöcke zwischen einem und maximal fünf Tagen. Außerdem kann ihm die Airline zu jeder Tages- und Nachtzeit einen Flug aufs Auge drücken. Was sie auch tut. Schlaf, für die meisten Leute etwas ganz Normales, kann ein ziemlich heikler Punkt werden, weil man nie weiß, wann der nächste Einsatz losgeht, ob in der Morgendämmerung oder sogar mitten in der Nacht.
    Nach dem Anruf der Einsatzzentrale bleibt eine Viertelstunde Zeit, um zurückzurufen und den Flug zu

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