»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«
irgendwie erinnerte sie mich an meine Großmutter. Na ja, eigentlich mehr an ihre bösartige, von Schönheitsoperationen entstellte Zwillingsschwester. Als sie verlangte, ihr die Tasche an den Platz zu tragen – das war keine Bitte, sondern ein Befehl –, gehorchte ich selbstverständlich. Kein Problem. Ich stellte die Tasche in das Gepäckfach über ihrem Sitz. Dann sollte ich ihren Pullover zusammenlegen, wobei sie sich bitter beschwerte, weil ich die ersten beiden Male das ach so zarte Stöffchen völlig verkehrt gefaltet hatte. Erst beim dritten Versuch war alles so, wie sie es haben wollte. Ich legte den Pulli neben ihre Tasche – oh, tut mir leid, natürlich obendrauf. Als Nächstes schob ich ihre Handtasche unter den Sitz, aber nicht zu weit nach hinten, bitte schön. Während des Boardings schob ich sogar den Sonnenschutz ihres Fensters hoch, zog ihn wieder herunter und schob ihn wieder hoch. Was sie auch wollte, ich tat alles, was sie von mir verlangte, und zwar zügig, ohne »unnötige Trödeleien«. Am Ende des Flugs bat sie mich um ein Blatt Papier, um einen Brief schreiben zu können. Also riss ich ein Blatt von einem der Essenswagen ab und brachte es ihr. Dann wollte sie einen Stift haben. Ich reichte ihr meinen letzten Marriott-Kugelschreiber. Und ich dachte mir auch nichts dabei, als sie mir ein paar Minuten später den zusammengefalteten Brief mit der Aufforderung reichte, ihn an meinen Vorgesetzten weiterzuleiten.
Schweigend las der Purser den Brief, sah mich an und faltete ihn wieder zusammen.
»Und was steht drin?«, fragte ich, obwohl ich ziemlich sicher war, dass die alte Dame in den höchsten Tönen von dem wunderbaren, einzigartigen Service schwärmen würde, den ich ihr hatte angedeihen lassen. Ganz ehrlich, ich hatte mich selbst übertroffen.
»Sie ist gar nicht zufrieden. Die Aushilfskraft, die sie an Bord bedient hat, trägt kein Haarnetz.«
Wie bitte? Ich war völlig schockiert. Nach allem, was ich für sie getan hatte! Außerdem war mein Haar zu einem ordnungsgemäßen Pferdeschwanz frisiert – unterhalb der Ohren zusammengebunden und nicht länger als fünfzehn Zentimeter über dem Kragen.
Einige meiner Kollegen in der Bordküche begannen zu kichern, was mich vermuten ließ, dass das ein Scherz war, irgendein fieses Aufnahmeritual für Neulinge in der Probezeit. Ich hatte schon davon gehört. Auf meinem letzten Flug hatte mich der Kapitän aufgefordert, mit einer Plastiktüte eine »Luftprobe« in der Kabine zu nehmen und ihm zu bringen. Wahrscheinlich hätte ich genau das auch getan, hätte ich nicht wenige Tage zuvor von einer meiner Mitbewohnerinnen erfahren, dass die Crew versucht hatte, sie mit genau demselben Trick hochzunehmen. Eine andere von uns hatte man aufgefordert, auf der Stelle zu hüpfen, damit die Bremsen richtig einrasteten. »Auf drei!«, rief der Kapitän aus dem Cockpit, und alle Neulinge sprangen hoch.
Aber auch Piloten sind gegen gemeine Tricks nicht gefeit. Einer fiel auf die Avancen einer besonders attraktiven Flugbegleiterin herein. Beim Einchecken im Layover-Hotel schob sie ihm ihren Zimmerschlüssel zu und lud ihn ein, sie doch später zu besuchen. Als er zum verabredeten Zeitpunkt ihre Zimmertür öffnete, hörte er die Dusche im Badezimmer rauschen. »Komm doch rein«, rief sie durch die geschlossene Badezimmertür. Der arme Kerl konnte sein Glück kaum fassen. Er zog sich aus und spazierte splitterfasernackt ins Badezimmer. Dort wurde er von der gesamten Crew hinter dem Duschvorhang erwartet. Überraschung!
Doch irgendetwas an diesem Scherz mit der alten Dame schien nicht so richtig witzig zu sein, denn statt den Zettel in den Abfall zu werfen, schob ihn der Purser in die Außentasche seiner Aktenmappe.
»Du gibst das doch nicht etwa weiter, oder?«, fragte ich. Völlig ausgeschlossen. Kein Flugbegleiter verpfeift einen anderen.
Der Purser zuckte mit den Schultern. »Ich habe mich noch nicht entschieden.«
»He, Kumpel, sie ist in der Probezeit«, rief eine Kollegin.
»Ich bin in der Probezeit«, bestätigte ich schnell.
Aber der Purser ließ sich davon nicht beeindrucken. Gottlob hörte ich nie etwas wegen des Haarnetz-Briefs, dafür wurde ich wenig später wegen eines anderen Schreibens zu meinem Vorgesetzten gerufen – es kam von einer Frau, an die ich mich nicht einmal mehr erinnern konnte.
Es dauert Monate, bis Passagierpost, egal ob Beschwerden oder Lobeshymnen, bei den Flugbegleitern landen, die den Reisenden einen so einzigartig
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