»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«
Typen mit der Baseballmütze und der Oakley-Sonnenbrille aus der letzten Reihe, der auf seinem Kautabak herumnagte und sie die ganze Zeit über lüstern anstarrte. Beim Anblick von Georgias Uniform brachen sämtliche Fahrgäste in hysterisches Gelächter aus und rissen einen dummen Spruch nach dem anderen à la: »Na, wenn Sie schon nicht fliegen, tun wir’s gleich zweimal nicht.«
»Ich verstehe das nicht. Sobald jemand in den Bus steigt, setzt er sich neben mich, auch wenn noch so viele Plätze frei sind«, klagte Georgia bei ihrem nächsten Zwischenstopp.
»Das liegt an der Uniform«, erklärte ich. »Sie wissen unterbewusst, dass sie dir vertrauen können und du ihnen in einem Notfall vielleicht sogar helfen kannst.«
Das stimmte. Ein Freund von mir aus Manhattan fuhr regelmäßig mit der U-Bahn zur Umsteigehaltestelle für den Bus zum Flughafen. Eines Tages, mitten im Sommer, gab es wieder mal einen kompletten Stromausfall, so dass die U-Bahn zwei geschlagene Stunden in völliger Finsternis im Tunnel feststeckte.
»Schlagartig fiel mir wieder alles ein, was man mir im Lehrgang beigebracht hatte«, erzählte er mir später, als er ein paar Apfel-Martinis zu viel intus hatte. »Ich zog meine Diensttaschenlampe heraus und fing an, den Fahrgästen Befehle zu erteilen. Ich sagte, dass sie Ruhe bewahren sollten und so. Ich nahm sogar mein Sandwich aus der Papiertüte und gab sie einer hyperventilierenden Schwangeren, damit sie hineinatmen konnte. Eigentlich wollte ich gar nicht das Kommando übernehmen, aber mir blieb nichts anderes übrig. Alle starrten mich an! Daran ist nur diese blöde Uniform schuld!«
»Und sie haben so viele Fragen!«, erklärte Georgia, als sie immer noch dreißig Meilen von ihrem Ziel entfernt war. »Welche Routen fliegen Sie? Steigen Sie in Fünf-Sterne-Hotels ab? Teilen Sie sich die Zimmer mit Kolleginnen? Bekommen Sie Ihr Essen von der Fluggesellschaft bezahlt? Kennen Sie zufällig So-und-so? Die ist auch Stewardess. Als wenn wir jeden einzelnen Flugbegleiter jeder einzelnen Airline kennen würden!«
Ich machte genau dieselbe Erfahrung. Obwohl ich erst ein paar Monate dabei war, hatte sich »Was machen Sie beruflich?« zu der Frage entwickelt, vor der ich mich am meisten fürchtete. Bis heute. Sobald ich lächle und antworte, ich sei Flugbegleiterin, ertappe ich mich dabei, wie ich die Luft anhalte. Unweigerlich herrscht zwei Sekunden lang Stille, dann gibt es zwei Möglichkeiten, wie es weitergeht: Entweder ich habe Glück, und es folgt eine begeisterte Reaktion wie: »Ich wollte ja auch immer Flugbegleiterin werden!« oder »Meine Schwester arbeitet auch als Flugbegleiterin!«. Dann entsteht meist eine angeregte Unterhaltung übers Reisen und verwandte Themen, die manchmal sogar in einer Verabredung zum Mittagessen gipfelt, wenn ich das nächste Mal in der Stadt bin. Das passiert durchschnittlich in einem von zehn Fällen. Bei den restlichen neunzig Prozent werden mir als Erstes fünf Worte ins Gesicht geschleudert: »Also, auf meinem letzten Flug …« Und dann bekomme ich eine Horror-Geschichte über einen katastrophalen Flug zu hören. Unnötig zu erwähnen, dass die weitere Unterhaltung nicht ganz so angenehm verläuft. Wie auch? Schließlich bin ich gerade zum Bindeglied zwischen dem Passagier und dem schlimmsten Flug seines Lebens geworden. Ein Super-80-Copilot gestand mir einmal, er verlasse niemals in Uniform das Haus, damit seine Nachbarn nicht erführen, womit er seinen Lebensunterhalt verdiene. Er wolle keine unangenehmen Gespräche aufgedrückt bekommen. Stattdessen fahre er in Zivilkleidung zum Flughafen und ziehe sich dann dort um. Dieser Mann ist Pilot! Niemand schiebt jemals dem Piloten die Schuld in die Schuhe, wenn ein Flug nicht glattläuft.
»Ich frage mich, ob Busfahrer auch immer von ihren Passagieren beschimpft werden, wenn die Straßen holprig sind«, versuchte ich Georgia abzulenken. »Ich finde, Busfahrer sind fast wie eine Mischung aus Piloten und Flugbegleitern. Einerseits müssen sie die Reisenden sicher und pünktlich an ihr Ziel bringen. Aber gleichzeitig sind sie wie wir über einen ziemlich langen Zeitraum auf engstem Raum mit ihnen eingesperrt.«
Aber Georgia hatte keine Ahnung, wie sich ein Busfahrer bei der Arbeit fühlt, und auch keine Lust, es herauszufinden. Sie hatte nur einen einzigen Wunsch: so schnell wie möglich aus diesem Bus heraus und nach Hause! An der letzten Haltestelle schnappte sie ihre Sachen und stieg aus. Sie schwor sich,
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