»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«
als die anderen in ihren Betten lagen und schliefen. »Seine Frau meinte, er habe die ganze Woche schon die Grippe gehabt. Und als seine Tochter dann noch erzählte, sie wollten ihn unbedingt nach Hause bringen, dachte ich, wenn der Mann jetzt noch nicht tot ist, dann wird er es bald sein. Der Kapitän sah das genauso. Eine Stunde nach dem Start drehten wir um.« Ehe ich Gelegenheit hatte, sie zu fragen, wie um alles in der Welt jemand auf die Idee kommen konnte, eine Leiche an Bord zu schmuggeln, fuhr Georgia fort: »Weißt du, wie viel ein Leichentransport kostet? Kein Wunder, dass ein Passagier mal versucht hat, seine Mutter von Miami aus in einem Kartoffelsack nach Hause zu schaffen.« Ich hätte es selbst nicht geglaubt, hätte ich nicht zufällig die interne Mailkorrespondenz zu diesem Vorfall gelesen.
Wenige Tage später stand die Beauty Queen, wie ich sie aus dem Lehrgang kannte, wieder vor mir, schöner, strahlender und lebensfroher denn je.
»Wenn ein Schwuler zu dir sagt, dass dich so schnell nichts umhaut, dann weißt du, dass du’s draufhast«, erklärte sie mir bei einer Portion Schweinefleisch süßsauer, als sie von einem Flug zurückkam. Ich konnte ihr nur zustimmen.
Nur eines machte mich nervös: Obwohl Georgia und der untreue Mistkerl sich getrennt hatten, war der Kontakt zwischen ihnen nach wie vor nicht abgerissen. Wann immer während eines Flugs irgendetwas Verrücktes passierte, rief sie ihn an. Die Mehrzahl ihrer Telefonate endete zwar damit, dass sie empört den Hörer aufknallte, und nach dem letzten Gespräch zerriss sie sogar seine Liebesbriefe in tausend Fetzen. Trotzdem schien Georgia immer noch nicht bereit zu sein, ihn endgültig in den Wind zu schießen. Stattdessen begann sie ihre Entscheidung zu hinterfragen und grübelte, ob sie den Job vielleicht gar nicht erst hätte annehmen sollen. Hätte sie es nicht getan, wäre es nie so weit gekommen, fand sie.
»Ich kann ihm keinen Vorwurf machen. Ich meine, er ist nun mal ein Mann. Und Männer fühlen sich schnell einsam«, erklärte sie seufzend.
Nichts brachte mich mehr auf die Palme als die Mär vom armen einsamen Männchen. »Hör auf, dir selbst die Schuld für seine Dämlichkeit zu geben. Du hast nichts falsch gemacht! Er ist derjenige, der –«
Georgia hob die linke Hand, so dass ich den schlichten Silberring sehen konnte.
»Er hat dir einen Heiratsantrag gemacht?«
Sie wurde rot. »Na ja, er hat versprochen, dass er es tut, wenn es mit der Bar erst mal ein bisschen besser läuft. Es ist eine Art Versprechensring.«
Gut, ich hatte also noch etwas Zeit, um sie zur Vernunft zu bringen und dafür zu sorgen, dass ihr ein Licht aufging.
Aber dieses Licht sollte niemals scheinen. Zwei Tage später strich unsere Airline die Flugverbindung in die Heimatstadt von Georgias zukünftigem Verlobten. Natürlich ahnte ich, dass das schlechte Nachrichten waren, aber wie schlecht, sollte ich erst erfahren, als ich von meinem Trip zurückkehrte und eine strahlende Georgia in der Eiseskälte auf der Türschwelle sitzen sah. So hatte ich sie seit … nein, so hatte ich sie noch nie gesehen. So ungern ich es auch zugebe, aber dieses Mädchen leuchtete förmlich vor Glück. Ich wusste, dass sich meine schlimmsten Befürchtungen gleich bewahrheiten würden. Ich spürte es. Am liebsten wäre ich gar nicht erst aus dem Taxi gestiegen, doch als der Fahrer, der sich stets über die Maßen erfreut über seine lausigen zwei Dollar Trinkgeld zeigte – »Oh, vielen Dank, Miss, herzlichen Dank! Das ist sehr nett von Ihnen« –, zum nächsten Kunden gerufen wurde, nahm ich wohl oder übel meine Sachen und ging im Schneckentempo die Einfahrt hinauf zur Haustür.
Vier Monate waren seit unserem erfolgreichen Abschluss an der Flugbegleiter-Akademie vergangen, und nur noch zwei Monate trennten uns vom Ende der Probezeit. Ich stieß einen abgrundtiefen Seufzer aus. »Bitte sag mir, dass du es nicht getan hast.«
»Doch, ich habe. Ich habe gekündigt. Heute habe ich mein Handbuch und meine Cockpitschlüssel zurückgegeben.«
Love is in the Air. Oder so.
In den Siebzigern, als Flugbegleiterinnen noch Stewardessen hießen, Flugreisen als unglaublich glamourös galten und nur was für Wohlhabende waren, endete eine Flugbegleiterinnenlaufbahn durchschnittlich nach gerade einmal achtzehn Monaten. Stewardessen mussten alleinstehend und kinderlos sein, um zu gewährleisten, dass ihre Tätigkeit nicht etwa in eine Karriere ausartete und die Airline ihre
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