»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«
gerade gesagt?«
»Ich habe gesagt, dass Sie sich an Bord nicht so benehmen können.« Susan ging ins Cockpit. »Captain, wir haben hier einen renitenten Fluggast an Bord. Ich weigere mich, diesen Flug zu absolvieren, solange er da ist.«
Der Kapitän ließ seine Flugkarte sinken, drehte sich um und musterte durch seine dicken Brillengläser den Mann, der mittlerweile randalierend auf dem Gang auf und ab trampelte und sich lautstark über die unverschämte Flugbegleiterin beschwerte. »Rufen Sie am Gate an und lassen Sie ihn abtransportieren.«
Wenig später kam ein großer, sichtlich nervöser Gate-Mitarbeiter an Bord, um den tobenden Mann aus der Maschine und zu einem anderen Flugsteig zu begleiten, wo eine Stunde später die nächste Maschine starten würde. Susan stand am Ausgang. Als der Passagier mit einem vernichtenden Blick an ihr vorbeiging, strahlte sie ihn an und sagte: »Bye-bye.«
Das brachte das Fass endgültig zum Überlaufen. »Sie hat ›Du mich auch‹ zu mir gesagt! Dieses Miststück hat ›Du mich auch‹ zu mir gesagt!« Doch der Gate-Mitarbeiter ließ sich nicht beeindrucken, sondern führte den Mann die Fluggastbrücke hinauf. Der Typ warf einen letzten Blick über die Schulter auf Susan, die in der Tür stand und lautlos die Worte Leck mich mit den Lippen formte.
Neun Tage, nachdem Georgia von unserem Crashpad zu ihrem schicksalhaften Flug aufgebrochen war, schrieb eine Krankenschwester vom Ärztezentrum der Fluggesellschaft in Chicago sie wieder gesund. Ihre Ohren hatten sich geöffnet, sie durfte wieder fliegen. Als man ihr am Schalter das First-Class-Ticket nach New York aushändigte, brach Georgia in Tränen aus. Sie hatte sich noch nie so gefreut, ein Flugzeug zu besteigen.
»Alles in Ordnung?«, rief ich beim Anblick ihrer rot verquollenen Augen, als sie zur Tür hereinkam.
»Es gibt nichts Schöneres, als nach so langer Zeit wieder nach Hause zu kommen.«
Georgia schien überglücklich, endlich wieder »daheim« zu sein, dennoch hatte ich das ungute Gefühl, dass mit dieser Busfahrt etwas in ihr zerbrochen war. Die Tatsache, dass sie an ihren freien Tagen ihr ungekämmtes Haar zu einem nachlässigen Knoten zusammenband und in rosa Jogginghosen und einem ausgeleierten T-Shirt herumlief, waren ein weiteres Indiz. Doch da sie ihr Make-up mit der gewohnten Sorgfalt auftrug, selbst wenn wir nur über die Straße in den Waschsalon gingen, redete ich mir ein, dass meine Sorge unbegründet sei.
Während Georgia und ich tapfer weiterkämpften, warfen unsere ehemaligen Kurskolleginnen reihum das Handtuch. Es schien, als gelange jeden Tag eine andere zu der Erkenntnis, dass sie den Anforderungen eines Alltags als Flugbegleiterin nicht gewachsen sei. Eine meinte, die Passagiere hätten keinen Respekt vor ihr. Sie kündigte und kehrte in ihren alten Beruf als Zahnhygienikerin zurück. Eine andere schmiss hin, weil sie nicht einmal zu ihrer eigenen Hochzeit vom Reservedienst freigestellt wurde. Eine Dritte hatte von Anfang an geplant, nur so lange durchzuhalten, bis sie kostenlos fliegen durfte, um endlich mit ihrem Ehemann die langersehnte Weltreise antreten zu können. Normalerweise erfuhren wir erst dann von einer Kündigung, wenn ein Name auf der Reservistenliste des monatlichen Streckenplans fehlte. Dann fragten wir herum, bis wir wussten, was passiert war. Meistens kannte niemand die genauen Hintergründe, nicht einmal die eigenen Zimmergenossinnen. Ebenso wie während des Lehrgangs waren meine Kolleginnen und Kollegen am einen Tag noch da und am nächsten plötzlich wie vom Erdboden verschluckt. Zum Glück gehörte meine alte Zimmergenossin Linda nicht zu ihnen. Wir liefen uns zwar nie über den Weg und telefonierten auch nicht, aber ich hörte von anderen, dass sie immer noch dabei war. Manchmal schaffte sie es wohl nicht, rechtzeitig vor der Landung alle Tabletts einzusammeln, aber sie gab sich offenbar alle Mühe, und dafür liebten die Passagiere sie.
Es ist immer wieder erstaunlich, was einen Menschen letzten Endes innerlich zerbrechen lässt. Ich hätte gewettet, dass der Vorfall mit dem toten Passagier auf einem von Georgias Flügen das Fass zum Überlaufen bringen würde, nachdem sie die ermordete Kollegin im Kleiderschrank einigermaßen weggesteckt hatte. Weit gefehlt. Stattdessen schien das genaue Gegenteil der Fall zu sein.
»Als ich ihn so schlaff und grau in diesem Rollstuhl sitzen sah, wusste ich sofort, dass der Mann tot ist«, flüsterte sie mir abends im Dunkeln zu,
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