»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«
Zitronenkuchen auf den Blechen auskühlten und ein riesiger Topf Gemüsesuppe auf dem Herd köchelte, saß sie mit einem Glas Wein in der Hand und ihrem Adressbuch auf dem Schoß im Wohnzimmer und schilderte ihren Freundinnen telefonisch in Endlosschleife die traumatischen Details ihrer Trennung. Sie fing bei den As an und quälte uns durch das gesamte Alphabet bis zu den Zs. Tricia hatte viele, viele Freundinnen.
»Du bist Tricias Mitbewohnerin«, bekam ich von Kolleginnen zu hören, wenn zufällig während eines Flugs ihr Name fiel. »Was für ein tolles Mädchen!«
Ich nickte nur und lächelte schwach. Keine von ihnen ahnte, wie anstrengend das Zusammenleben mit ihr war.
Das größte Problem war, dass Tricia am längsten in unserem Crashpad wohnte und damit dessen mächtigste Bewohnerin war. Ihr gehörte das größte Zimmer, und überall hingen Fotos von ihr und irgendwelchen Freunden herum, aufgenommen in jeder Ecke des Planeten. Töpfe, Pfannen, Möbel und Teppiche, die Mikrowelle und die Zimmerklimaanlage, alles gehörte ihr. Manches hatte sie selbst gekauft, andere Dinge von unseren Vorgängerinnen übernommen. Sogar das Bett, in dem ich schlief, hatte früher Tricia gehört. Ich hatte es ihr für einen Zwanziger abgekauft – genau derselbe Betrag, den ihr fünf Jahre zuvor eine andere Flugbegleiterin dafür abgeknöpft hatte. Allerdings prangte damals noch kein großer grüner Farbfleck auf dem Gestell. Möglicherweise war Tricia zu dieser Zeit gerade mit einem Künstler zusammen gewesen, der in ihr eine Neigung zum Malen geweckt hatte … Als sie mit einem Motorsport-Fan anbandelte, verstopften jedenfalls regelmäßig Autozeitschriften unseren Briefkasten, als der Golf-Profi auftauchte, blockierten Golfschläger unsere Diele, uns blieb kaum noch Platz für Schuhe und Mäntel, und als sie – zu Janes Entzücken – den Küchenchef eines Drei-Sterne-Restaurants in Manhattan aufgabelte, stapelten sich die Gourmetkochbücher in unserer Küche.
Nicht dass ich Tricia nicht gemocht hätte, ich ertrug sie eben nur in kleinen Dosen. Deshalb wäre ich auch fast gestorben, als wir auf denselben Flug eingeteilt wurden. Wir würden nicht nur in derselben Maschine, sondern auch noch in derselben Klasse – der Business – arbeiten. Es hat durchaus seinen Grund, weshalb vorzugsweise die jüngsten Flugbegleiterinnen für die Business-Class eingeteilt werden, diese Klasse ist nämlich am arbeitsintensivsten. In der Holzklasse haben wir nicht viel zu bieten, und die First-Class-Passagiere verbringen den Großteil des Flugs mit Schlafen. Business-Passagiere hingegen wollen alles haben, was sie kriegen können, und das am besten sofort. Einmal präsentierte ein Kollege seinen Business-Fluggästen ein Tablett, auf dem er Silberlöffel gestapelt hatte.
»Möchten Sie vielleicht einen Löffel haben?«, fragte er, und jeder von ihnen nahm wortlos einen Löffel vom Tablett. Zwei Minuten später ging er ein zweites Mal durch die Kabine und sammelte die Löffel wieder ein. Dann stellte er eine Packung Kleenex auf ein Tablett und ging damit herum. Jeder Einzelne zupfte eines heraus. Mit anderen Worten: Ein Arbeitstag mit den forderndsten Passagieren von allen war auch so schon anstrengend genug, und ich konnte mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie ich ihn mit dieser Drama Queen an meiner Seite bewältigen sollte.
Zu meiner Verblüffung entpuppte Tricia sich als hervorragende Kollegin. Es war eine Freude, mit ihr zusammenzuarbeiten. Der Service ging reibungslos über die Bühne, und ich lernte sie als eine der professionellsten, fleißigsten und freundlichsten Flugbegleiterinnen meiner gesamten Karriere kennen. Die Passagiere liebten sie, und ich tat es ebenfalls. Seit diesem Tag genießt sie meine größte Hochachtung. Unser Flug war so toll, dass ich mich ohne weiteres mit ihr als Partnerin auf die nächsten Flüge hätte setzen lassen, wenn sie mich – was sie nicht tat – darum gebeten hätte. Trotzdem: Ich war angenehm überrascht worden und einmal mehr überzeugt davon, dass man andere Menschen erst wirklich kennenlernt, wenn man mit ihnen zusammen gewohnt und gearbeitet hat.
Seltsamerweise erlebte ich mit Dee Dee das genaue Gegenteil. Dee Dee war auf den ersten Blick supercool. Sie mochte keine klassische Schönheit sein, setzte ihre Vorzüge jedoch sehr geschickt in Szene und sah immer umwerfend aus. Sie war durchtrainiert, hatte einen schönen dunklen Teint und trug am liebsten leuchtend bunte Kleider mit
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