»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«
wie mit anderen Kolleginnen, und Passagiere, die über unsere Familienverhältnisse nicht informiert waren, reagierten ziemlich erstaunt.
»Meine Güte, zieh eben anständig, dann geht es schon!«, befahl ich knapp, als meine Mutter einen der Schränke in der Business-Class nicht aufbekam.
»Das war aber nicht sehr nett«, bemerkte ein Passagier, der in der Schlange vor der Toilette stand.
»Ich kann sie auch nicht besonders gut leiden«, gab Ellen im Spaß zurück. Als der Passagier sie besorgt musterte, fügte sie hinzu: »Ich darf das sagen. Sie ist meine Tochter.«
Wie zu erwarten war, schlug seine Besorgnis auf der Stelle in Begeisterung um.
Aber nicht nur die Passagiere reagierten teilweise merkwürdig auf unser Verwandtschaftsverhältnis. Einmal sah sich der Kapitän zu einer launigen Durchsage unmittelbar nach dem Start bemüßigt, ein anderes Mal ließ sich eine Kollegin am Gate, der unsere bemerkenswerte Ähnlichkeit und die Namensgleichheit auf unseren Tickets aufgefallen waren, zu einer Ankündigung im Terminal hinreißen. Ich werde nie vergessen, wie ich die Türen zur Fluggastbrücke öffnete und sie durch die Lautsprecheranlage sagen hörte: »Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich habe wunderbare Neuigkeiten für Sie. Sie werden heute auf Ihrem Flug …« Nein, das würde sie doch nie tun , schoss mir durch den Kopf, aber sie tat es: Sie informierte sämtliche Passagiere am Gate darüber, dass sie heute von einem Mutter-Tochter-Gespann bedient werden würden. Die Reaktion war in etwa so, als hätte man einer Horde Kinder eröffnet, dass Micky Maus und Goofy heute für die Snacks zuständig seien. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, meine Mutter platzte fast vor Stolz, weil sie in Uniform an meiner Seite arbeiten durfte. Und mir brachte ihr neuer Job auch den einen oder anderen Vorteil; beispielsweise würde sie immer einen Flug für mich übernehmen, wenn ich ein heißes Date hatte. Aber als mir an diesem Tag der Applaus entgegenschallte, hätte ich am liebsten kehrtgemacht und wäre davongelaufen. Es ist nun mal verdammt uncool, mit seiner Mutter unter einem Dach zu leben und zusammenzuarbeiten.
Cool ist dagegen, jemandem auf einem Flug zu begegnen, von dem man schon seit Jahren schwärmt. Bei meiner Mutter war das Keanu Reeves, den sie anhimmelte, seit er in Was das Herz begehrt Diane Keatons jugendlichen Liebhaber gespielt hatte. Vielleicht können Sie sich ihre Überraschung vorstellen, als er plötzlich in die Maschine stieg, die sie zu ihrem nächsten Einsatzort fliegen sollte. Er saß in der Business-Class, nur durch einen schmalen Gang von ihr getrennt. Sie wechselte kein Wort mit ihm, sie sah ihm noch nicht einmal ins Gesicht. Aber sie hätte rein theoretisch jederzeit den Arm ausstrecken und ihn berühren können. »Okay, jetzt kann ich in Rente gehen«, sagte sie nach dem Flug.
Ich hatte meinen Keanu-Reeves-Moment, als ich dem Vorstand des Uhrenherstellers, für den ich früher einmal gearbeitet hatte, auf dem Flughafen LaGuardia über den Weg lief. Ich war gerade gelandet und flitzte sofort zu ihm hinüber, als ich ihn entdeckte.
»Hi! Erinnern Sie sich noch an mich? Ich habe früher mal für Sie gearbeitet!«, rief ich aufgeregt. Drei ganze Jahre lang hatte ich auf diesen Moment gewartet. Er sah mich nervös an. »Ich bin Heather Poole.«
Ich sah ihm an, dass er keine Ahnung hatte, wer vor ihm stand. Seine Worte bestätigten meinen Verdacht. »Ich … äh … meine Maschine …«, stammelte er.
»Ach so. Klar. Na ja, hier ist meine Nummer«, sagte ich und kritzelte sie auf die Rückseite der Visitenkarte, die mir ein Passagier zugesteckt hatte. »Wenn Sie ein bisschen abschalten konnten, fällt Ihnen ja vielleicht wieder ein, wer ich bin.«
Vielleicht auch nicht. Er meldete sich nie. Also nahm ich die Sache selbst in die Hand und rief ihn an. Dank meines Jobs als Flugbegleiterin hatte ich inzwischen ausreichend Selbstvertrauen gewonnen und war so an den Umgang mit »wichtigen« Menschen – oder solchen, die sich dafür hielten – gewöhnt, dass ich mir fast alles zutraute; sogar einen Anruf bei meinem ehemaligen Chef. Was hatte ich schon zu verlieren?
Ich hinterließ ihm eine Nachricht mit dem Angebot, ihm bei seinem nächsten Besuch in New York die Stadt zu zeigen, obwohl er sie bestimmt besser kannte als ich, da die Firma seit Jahren einen Showroom im Big Apple unterhielt. Ein Jahr später rief er zurück. Abgesehen von ein bisschen Händchenhalten und einem
Weitere Kostenlose Bücher