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»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«

»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«

Titel: »Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Poole
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ich halb im Scherz.
    »Schlimmer.« Meine Mutter schlug sich die Hände vors Gesicht, und ich hätte schwören können, sie etwas völlig Verrücktes wie »Ich habe Gary einen Brief geschrieben« sagen zu hören.
    »Du hast was getan?«
    »Direkt nachdem du den Flugbegleiterinnen-Lehrgang abgeschlossen hattest und nach New York gezogen bist. Du hast so einsam und traurig gewirkt. Ich habe mir Sorgen um dich gemacht. Und ich dachte, wenn er wüsste, dass du inzwischen Flugbegleiterin bist, würde er dich vielleicht mal anrufen und mit dir ausgehen.«
    Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück und drehte den Ventilator zu mir herum, da ich plötzlich das Gefühl hatte, keine Luft mehr zu bekommen. Ich hätte sie am liebsten umgebracht. Die Tatsache, dass Gary den Überraschten gemimt und nicht eine Silbe über diesen verdammten Brief verloren hatte, bewies, dass er vielleicht noch durchgeknallter war als meine Mutter. Oder aber einer der nettesten Menschen der Welt. Andererseits bedeutete es, dass auch er gelogen hatte, also waren wir nun gewissermaßen quitt. Gewissermaßen …
    Ich habe Gary seitdem nie wiedergesehen. Meine Mutter schon. Sogar zweimal. Einmal war er Kapitän auf einem ihrer Flüge. Nachdem sie jahrelang dieses dämliche Foto von ihm angeguckt hatte, erkannte sie ihn auf Anhieb. Sie fiel beinahe in Ohnmacht, als er an Bord kam und seine Tasche in den Crewschrank stellte. Sie wollte ihn unter keinen Umständen blamieren, deshalb erzählte sie ihm nicht, wer sie war. Bis heute aber vermutet sie, dass er es trotzdem wusste, da er auf diesem Flug ungewöhnlich oft in die Bordküche kam. Als sie ihm – zehn Jahre später! – zum zweiten Mal in die Arme lief, wusste er auf jeden Fall ganz genau, wer sie war, und sagte es ihr auf den Kopf zu, als sie in der hinteren Bordküche die Getränkewagen einräumte. Sie schwärmte mir vor, wie toll er ausgesehen habe. Und er habe ausschließlich reizende Dinge über mich gesagt und ihr dann erzählt, dass er gerade nach New York ziehe und mit einer jungen Frau verlobt sei, die mir, zumindest anhand des Fotos, das er ihr gezeigt hatte, ziemlich ähnlich sehe. »Ich schwöre dir, Heather, einen Besseren als den wirst du nicht mehr finden«, rief sie. Und sie sollte recht behalten. Zumindest, was die Piloten anging …

Heirate mich und flieg umsonst!
    Noch ziemlich am Anfang meiner Laufbahn schleppte meine Mitbewohnerin Tricia mich in eine angesagte Bar in Manhattan, wo sich ein Typ mit Buddy-Holly-Brille und neonblauen Puma-Turnschuhen zu mir beugte und sich nach meinem Beruf erkundigte.
    »Ich bin Flugbegleiterin«, rief ich über die wummernden Bässe hinweg und nippte an meinem Apfelmartini.
    Buddy Holly trat schlagartig den Rückzug an. Völlig verdattert sah ich zu, wie er den Raum durchquerte und sein Glück bei der nächsten Blondine versuchte. Vermutlich konnte sie einen respektableren Beruf vorweisen, denn die beiden schienen sich den restlichen Abend prächtig zu unterhalten.
    »Was für ein Arschloch!«, schimpfte Tricia. Ein paar Typen, die sich um sie herumdrückten und um ihre Gunst buhlten, lachten schallend. Ich tat so, als wäre es mir egal, dabei kochte ich innerlich vor Wut! Wäre es anders gelaufen, wenn ich mich als Uhrendesignerin ausgegeben hätte? Höchstwahrscheinlich.
    Aber da ich schnell lerne, erzählte ich dem Nächsten, der mich fragte, nur, ich sei bei einer Airline beschäftigt. Ende der Durchsage. Als er weiter bohrte, erklärte ich, dass ich für das Gepäck zuständig sei (was ich, zumindest beim Boarding, ja auch bin). Er blieb nicht nur, sondern lud mich auch noch auf ein paar Drinks ein. Leider stellte sich heraus, dass er zur Gattung der RR -Typen gehörte – als Erste rein und als Erste wieder raus . RR -Typen erkennt man schon von weitem. Sie stellen sich im Terminal grundsätzlich in einer Reihe vor dem Gate auf, weil sie es kaum erwarten können, an Bord zu kommen. Wahrscheinlich würden sie es am liebsten noch vor der Crew schaffen. Am Ende des Flugs springen sie schon auf, bevor die Anschnallzeichen erloschen sind, zerren ihr Gepäck aus den Fächern und trampeln jeden gnadenlos nieder, der es wagt, ihnen auf ihrem Spurt Richtung Ausgang in die Quere zu kommen. Ich gebe es ja nur ungern zu, aber ich beobachte jedes Mal mit einer gewissen Befriedigung, wie sie auf dem Gang ins Straucheln geraten, wenn der Kapitän ein bisschen abrupter bremst. Als mir dämmerte, dass ich hier einen dieser Rein-Raus-Typen vor mir hatte,

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