»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«
tat ich, was jede Flugbegleiterin tun würde – ich holte meinen inneren Buddy Holly heraus und ließ ihn einfach stehen. Allerdings nicht, ohne mich vorher höflich zu entschuldigen, ich müsse mal kurz auf die Toilette.
Die Buddys dieser Welt haben eine ziemlich festgefahrene Meinung über Flugbegleiterinnen, die wiederum auf einer Reihe von Umständen basiert, auf die wir keinerlei Einfluss haben, beispielsweise die unbefriedigende Getränkeauswahl an Bord oder die Tatsache, dass bereits ein Passagier vor ihnen das Kreuzworträtsel im Bordmagazin gelöst hat. Solche Dinge können manche Fluggäste auf die Palme bringen. Und wenn sie dann noch ein paar Stunden Zeit haben, in denen sie tatenlos herumsitzen müssen, denken sie in Ruhe über derlei Ungerechtigkeiten nach, und die Katastrophe ist perfekt. Ganz selten, wenn ein Passagier es zu weit treibt, reagieren wir vielleicht etwas über. Normalerweise passiert das am vierten Tag eines mehrtägigen Einsatzes, nachdem wir uns die vergangenen drei Tage mit immer denselben Beschwerden haben herumschlagen müssen. Wir sind nun mal nicht die Palastwache der Queen. »Sie sind hier in einem Flugzeug und nicht in einem Supermarkt«, blaffte eine meiner Kolleginnen, nachdem sich ein Passagier aufgeregt hatte, weil es an Bord keine Sojamilch gab. Und natürlich ist es immer genau der Passagier mit dem Problem, den man später bei der Landung daran erinnern muss, sich anzuschnallen. Diese Passagiere gelangen prompt zu der irrigen Annahme, wir wollten sie schikanieren. Und siehe da – was auch immer sie als Nächstes verlangen, haben wir gerade nicht an Bord, was sie wiederum zu der ebenso irrigen Annahme verleitet, wir würden sie schamlos belügen. Völlig egal, wie vielen tollen, engagierten Flugbegleiterinnen solche Leute auf ihren zukünftigen Flügen noch begegnen werden, sie halten uns ausnahmslos für Lügnerinnen, und nichts bringt sie von ihrer Meinung ab. Wenn Buddy Holly auch zu dieser Gattung gehörte, konnte ich nur froh sein, dass der Kelch an mir vorübergegangen war.
Der Job als Flugbegleiterin birgt noch eine weitere Gefahr bei der Suche nach dem Richtigen: Man muss nämlich einen Mann finden, dessen Interesse an uns selbst größer ist als das an unserer Tätigkeit. Wir wollen ein bisschen plaudern, und die Typen interessieren sich nur für den Mile High Club (allerdings will ich der Fairness halber zugeben, dass mich auch viele Männer, die nichts von mir wollen, deswegen löchern). Diesen Leuten muss ich oft den Zahn ziehen: Die wenigsten schaffen es, Mitglied im legendären Sex-über-den-Wolken-Club zu werden. Denn es ist meine Aufgabe, sie genau daran zu hindern, und das tue ich auch, sobald ich merke, dass etwas im Busch ist – in der Regel, wenn ein Passagier sich beschwert, weil er ungewöhnlich lange vor der Bordtoilette warten muss.
»Haben Sie denn mal angeklopft?«, fragen wir dann, aber in neun von zehn Fällen wollen die Passagiere, dass wir das übernehmen. Ich hasse es, weil nicht jeder, der die Toilette mit Beschlag belegt, automatisch da drinnen Sex hat. Manche Menschen brauchen nur etwas länger als andere. So wie die Frau, die die Tür einen Spaltbreit öffnete und mich um eine Zeitschrift bat, weil es noch eine Weile dauern könne, bis sie fertig sei. Eines kann ich Ihnen versichern: Wenn jemand so lange braucht, ist es ratsam, sich lieber gleich eine andere Toilette zu suchen. Selbst wenn das bedeutet, dass man gaaaanz ans andere Ende des Flugzeugs gehen muss. Ja, das gilt auch für Sie, liebe Passagiere der First Class!
Sollte irgendetwas Unzüchtiges auf der Bordtoilette vor sich gehen, bittet die Flugbegleiterin die Passagiere, umgehend herauszukommen (mit hochgezogenen Hosen, versteht sich), während sie innerlich betet, die Betreffenden mögen es nicht tun. Wenn nichts anderes mehr hilft, müssen wir die Dinge wohl oder übel selbst in die Hand nehmen und die Tür von außen öffnen – und möglicherweise Zeuge von etwas werden, das wir niemals sehen wollten.
Das erste Pärchen, das ich auf der Bordtoilette erwischte (noch dazu auf einem Nachmittagsflug), war Mitte der Neunziger in der gesamten Branche für seine Eskapaden berüchtigt. Stichwort: R & B. Die beiden versuchten erst gar nicht, es zu verbergen. Die meisten Bordtoiletten-Delinquenten verlassen den Tatort nacheinander. Offenbar glauben sie, niemand in der Schlange würde es merken, wenn das » OCCUPIED «-Schild sofort wieder einrastet. Nicht so diese beiden
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