»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«
fragte ich – nicht dass das ein Argument für mich gewesen wäre.
»Und wir drehen auf Jamaika. Kost und Logis sind frei«, fügte er hinzu, als wäre das die goldene Karotte, die mich dazu bringen würde, zuzubeißen.
Ich habe gehört, dass manche Flugbegleiterinnen sich auf solche Angebote einlassen, aber ich kann Ihnen versichern, dass diese Mädchen ihren Job nicht allzu lange behalten. Wie gesagt funktioniert die Kommunikation unter Flugbegleiterinnen ganz ausgezeichnet, und wenn die Airline erst einmal Wind davon bekommen hat, dass jemand eine Zweitkarriere in der Erwachsenenfilmbranche verfolgt, fliegt die betreffende Person auf der Stelle hinaus. Kaum eine von uns will ihren Anspruch auf Gratisflüge aufs Spiel setzen, der einer der Hauptgründe ist, weshalb wir uns überhaupt für unseren Job entschieden haben. Jedenfalls hatte Mr Pornoproduzent offenbar keine Ahnung, dass Flugbegleiterinnen sowieso umsonst um den Erdball fliegen und so gut wie überall auf der Welt Sonderpreise in Hotels und bei Mietwagenfirmen bekommen – auch auf Jamaika. Und damit nicht genug. Abgesehen von Rabatten auf das Speisen- und Getränkeangebot an Flughäfen, auf Handyverträge, Reisegepäck, Vergnügungsparks und Bordartikel kriegen wir auch auf die verrücktesten Dinge noch einen Nachlass: für Tiersitting, Ohrstöpsel, Autos, Küchenutensilien, Blumen, Mitgliedschaften in Fitnessclubs und in Supermärkten. Es gibt sogar Ärzte, die für Flugbegleiter Sonderpreise anbieten, vor allem Zahnärzte, Dermatologen und plastische Chirurgen – und ich rede hier nicht von denen in Brasilien. All das bekommen wir nur, weil wir kostenlos Werbung für sie machen und mit vielen Menschen in Kontakt kommen. Das Allerbeste ist: FedEx gewährt den Mitarbeitern meiner Airline fünfundsiebzig Prozent Rabatt auf sämtliche Versandaktionen, was ziemlich praktisch ist, wenn man irgendwo in Übersee ist und ein Möbelstück nach Hause befördern möchte. Das kriegt ein Pornostar auf Jamaika garantiert nicht! Ganz zu schweigen von Kleinigkeiten wie Bonuszahlungen für langjährige Betriebszugehörigkeit und Zuschüssen zur Kranken- und Rentenversicherung. Unser Wochenlohn ist vielleicht nicht gerade üppig, aber der Job hat durchaus seine Vorteile. Und zwar Vorteile, die Männer anziehen wie das Licht die Motten.
Das bringt mich auf das Thema Gratisflüge. Dass ein Mann sich mehr für meine Reisevergünstigungen als für mich interessiert, merke ich, wenn er gleich beim ersten Date einen Trip an einen Ort plant, den er schon immer mal besuchen wollte. Das ist im Prinzip vergleichbar mit einer Frau, die von Heirat und Kinderkriegen erzählt, obwohl sie einen Mann gerade erst kennengelernt hat. Gibt es eine bessere Methode, um den anderen zu vergraulen? Noch schlimmer ist, wenn ein Mann ein freies Zimmer in seinem Apartment gegen Gratisflüge eintauschen möchte. Einmal hat mich sogar eine Frau gefragt, ob ich mich auf eine Ehe zu dritt einlassen würde, nur um an meinen Buddy Pass heranzukommen. Wir brachen beide in schallendes Gelächter aus. Doch als wir uns wieder beruhigt hatten, stellte sie die Frage noch einmal.
Wenn Leute, die auf meine Flugvergünstigungen aus sind, merken, dass ich ihnen auf die Schliche gekommen bin und sie nicht damit durchkommen, rücken sie normalerweise unumwunden mit der Sprache heraus. Ein Typ meinte, die Mutter seines Mitbewohners auf dem College sei Flugbegleiterin gewesen, deshalb wisse er genau, wie das mit den Buddy Passes laufe (zwinker, zwinker). Um mich nicht zu vergraulen, legte er noch einen nach und brachte mein überschaubares Gehalt ins Spiel: »Für dich würde natürlich auch etwas dabei rausspringen.« Bei Verabredungen verkaufe ich keine kostenlosen Flugtickets, sondern suche den Mann fürs Leben! Daher leere ich, wenn ich so etwas höre, ganz schnell mein Glas und kratze die Kurve. Manchmal kriege ich auch die Mitleidsnummer vorgespielt: Ein Typ wollte mir einen Gratisflug abluchsen, weil seine Schwester angeblich schwerkrank war und sich unbedingt von einem Arzt im Ausland behandeln lassen musste. Zum Glück fällt es mir mittlerweile leicht, zu unterscheiden, ob ein Mann wirklich an mir interessiert ist oder nur auf einen Gratisflug aus ist.
Heirate mich und flieg umsonst , heißt es in unserer Branche so schön. Als ich noch bei Sun Jet war, hatte ich sogar mal ein T-Shirt mit diesem Spruch drauf. Heutzutage müsste es eher Heirate mich und flieg Stand-by heißen. Heirate mich und kassier
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