»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«
meine Uniform anzog.
»Nach dem Motto, ich zeig dir meins, wenn du mir deins zeigst?«, lachte ich neckend. Ich hielt das Ganze für einen Scherz. Doch als ich sein Apartment betrat und er mir mit einem Stethoskop um den Hals und dem Oberteil seiner OP -Kluft die Tür aufmachte, wusste ich, dass wir ein echtes Problem hatten. Noch heute beschert mir der Anblick seiner dürren nackten Beine echte Alpträume.
Offen gestanden haben die meisten Menschen in Uniformen keine Lust, an ihrem freien Tag so zu tun, als wären sie im Dienst. Es macht uns nicht scharf, anderen Leuten vorzuschreiben, was sie zu tun und zu lassen haben, ganz ehrlich. Genauso wenig finden wir es witzig, Passagiere ständig an dieselben Dinge erinnern zu müssen, zum Beispiel daran, vor der Landung alle elektronischen Geräte auszuschalten. Erst kürzlich musste ich auf einem Flug von Oklahoma nach Chicago sechzehn Passagiere auffordern, ihre Telefone ausschalten, obwohl ich sie vorher schon zweimal darauf hingewiesen hatte! Deshalb ist es schön, wenn ausnahmsweise ein anderer das Heft in die Hand nimmt und sagt, wo’s langgeht. Vielen Ärzten scheint es genauso zu gehen. Zumindest hatte CelebrityDoc bis zu dem Augenblick, als ich ihm die Meinung sagte, weil er eine Kellnerin angeschnauzt hatte, die ungefragt seinen Teller abgeräumt hatte, herzlich wenig Interesse an mir gezeigt. Sämtliche Gäste drehten sich um, um einen Blick auf dieses Arschloch zu werfen, das mir gegenüber am Tisch saß. Ich setzte mich aufrecht hin und ließ den Herrn Doktor leise, aber bestimmt wissen, was ich von seinem unverschämten Benehmen hielt – nachdem ich von ihm verlangt hatte, dass er sich auf der Stelle bei der Kellnerin entschuldigte, wenn er nicht wollte, dass ich ihm eine Szene machte und das Lokal verließ. Zu meiner Verblüffung gehorchte er, und zwar auf eine überaus nette Art. Am nächsten Tag schickte er mir einen wunderschönen Blumenstrauß. Vielleicht wünschen wir uns alle von Zeit zu Zeit, dass jemand anderes das Kommando übernimmt.
Ich traf aber noch viel schrägere Kandidaten. So hätte ich bis zu dem Tag, als ich diesen Podologen kennenlernte, nicht gedacht, dass da draußen tatsächlich Leute herumlaufen, die die Füße einer Flugbegleiterin nach einem langen Arbeitstag verwöhnen wollen. Natürlich gab er sein schmutziges kleines Geheimnis nicht gleich preis, und als er es tat, fand ich es auch gar nicht so schlimm. Ich meine, andere stehen auf Brüste oder Hintern. Wo ist da der Unterschied? Es gibt keinen. Ganz davon abgesehen, dass ich zwar nicht vollbusig bin, dafür aber ziemlich schöne Füße habe. Ich war völlig von den Socken, dass ich mit einem Arzt für Fußheilkunde liiert war, der Schuhe und Fußmassagen genauso liebte wie ich. Diesen Mann hatte mir der Himmel geschickt. Aber nach einer Weile wurde es dann doch ein wenig unheimlich. Mit einem Kerl, der mich anbettelte, ihm nach einem langen, anstrengenden Tag meine bestrumpften Füße in sein verzerrtes Gesicht zu drücken, kaum dass ich zur Tür hereingekommen war, kam ich einfach nicht klar. Jeder hat seine Macken, aber das war mir dann doch zu viel. Nachdem ich ihn in die Wüste geschickt hatte, bat er mich doch tatsächlich, ihn an meine Kolleginnen weiterzuempfehlen!
»Du spinnst wohl!«, rief ich und knallte den Hörer auf die Gabel.
Er rief gleich noch einmal an und versüßte das Angebot mit dem Versprechen, meinen Kolleginnen achtzig Prozent Rabatt auf orthopädische Einlagen zu geben. Tja, das änderte natürlich alles. Ich klemmte seine Visitenkarte ans Schwarze Brett in der Einsatzzentrale.
Nichts auf der Welt geschieht grundlos. Davon bin ich felsenfest überzeugt. Denn wäre ich dem Podologen nicht begegnet, hätte ich dem Ingenieur, den ich während eines Fluges kennenlernte, vermutlich meine Schuhe geschickt. Er erzählte mir, er arbeite nebenbei als Schuster, und es sei ihm ein Vergnügen, meine Pumps, die dringend repariert werden mussten, auf Vordermann zu bringen.
»Packen Sie sie einfach ein und schicken Sie sie mir zu«, erbot er sich und drückte mir seine Visitenkarte in die Hand. Er würde auch das Porto übernehmen. Hobby-Schuster, schon klar …
Irgendwann dämmerte mir, dass ich meinen Traummann vielleicht doch lieber im Flugzeug statt im Internet suchen sollte. Ob in der First, Business oder Economy, war mir völlig egal. Mein Traummann war ein Kerl, der angeschnallt sitzen blieb, auch wenn das Anschnallzeichen über ihm erloschen war.
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