Wir in drei Worten
Leiche mit papierdünner Haut und Augenhöhlen wie die verschrumpelten Mulden von Pfirsichkernen.
»Wenn du mir nichts von Olivias Abreise erzählt hättest, hätte ich dir das alles nicht gesagt. Ich hätte dich gehen lassen.«
Er fährt sich müde durch das Haar. »Ja, ich weiß. Es ist keine gute Idee, eine Freundschaft mit jemandem zu pflegen, von dem man mehr will. Glaub mir, ich hab damit Erfahrung.«
Wieder schweigen wir.
»Ich wünschte, ich hätte eine Zeitmaschine.« Es soll ironisch klingen, aber man hört meine Verzweiflung heraus.
»Ich auch«, stimmt Ben mir zu und hält kurz inne. »Ich würde an die Uni in Leeds gehen.«
Mein herkömmlicher Lachreflex funktioniert nicht. Wie wahr.
»Ich sollte jetzt besser verschwinden.« Er steht auf.
Ich nicke unglücklich, erhebe mich ebenfalls und kämpfe gegen den Drang an, ihn an seinen Jackenaufschlägen zu packen und anzuflehen.
»Leb wohl.« Ich versuche, tapfer zu sein, und scheitere kläglich.
»Na komm.« Ben wendet sich mir zu. »Das wird schon wieder.«
»Ich werde dich vermissen.« Ich höre, wie meine Stimme vor Verzweiflung bricht.
Warum kannst du nicht ebenso empfinden wie ich? Obwohl er es mir erklärt hat, kann ich es nicht akzeptieren.
»Oh, Ron …« Ben sieht plötzlich traurig aus.
Bei der unerwarteten Anrede mit meinem Spitznamen laufen mir unwillkürlich Tränen über die Wangen. Es wird mit Tränen enden, hat Caroline gesagt. Auch wenn sie vielleicht nicht genau diese Worte verwendet hat, ist es das, was sie gemeint hat.
»Was wolltest du mir sagen?« Ich wische mir die Wangen mit dem Handrücken ab. »Beim Abschlussball auf der Tanzfläche?«
»Ich kann mich nicht erinnern.«
»Oh.« Ich schlucke heftig.
»Also gut, ich erinnere mich. Aber es spielt keine Rolle mehr.«
»Für mich schon. Bitte, Ben.«
Ben mustert mich zweifelnd und überlegt, ob er meiner Bitte nachkommen soll, und das mit gutem Grund, denn ich stehe offensichtlich am Rand eines Nervenzusammenbruchs. Er schaut sich um, ob wir immer noch allein sind, bis auf den barfüßigen Mann, der sich die Krawatte um die Stirn gebunden hat und an der Statue Tai-Chi-Übungen macht.
»Ich wollte dir sagen, dass ich meine Tickets zurückgegeben habe, damit wir die Reise gemeinsam machen können, sobald du Zeit hast«, sagte er leise. »Ich habe mein Abreisedatum nicht geändert, sondern habe neue Tickets gekauft und bin allein gefahren.«
Ich starre ihn aus tränennassen Augen an. Das ist kaum zu ertragen. Er wirkt bestürzt und tritt einen Schritt vor, als wolle er meinen Arm berühren, lässt die Hand aber wieder fallen.
»Dafür möchte ich eine Gegenleistung«, fügt er mit gedämpfter Stimme hinzu.
»Alles, was du willst.«
»Bitte such nicht noch einmal nach mir.«
Und mit einigen wenigen zielstrebigen Schritten ist er verschwunden. Ich wette, er musste sich zusammenreißen, um nicht loszurennen. Welch ein Ausgang.
Ich laufe eine Weile durch den Park und versuche, mein Gesicht unter Kontrolle zu bringen, bevor ich mich wieder in die Öffentlichkeit wage. Gegen mein gebrochenes Herz kann ich nichts tun. Ich teste mein Sehvermögen, indem ich die Inschrift an dem Kreuz lese. An diesem friedlichen Ort heißt es schlicht: »Hier liegen die sterblichen Überreste von über zweiundzwanzigtausend Menschen«.
Wie passend. Die blühende Idylle ist in Wahrheit ein gut gedüngter Friedhof.
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E r wird zurück in den Süden ziehen, in den riesigen goldenen Käfig seiner Schwiegereltern, und leiden«, behaupte ich. Seit neunundvierzig Minuten kaue ich ergebnislos alles wieder und wieder durch und missbrauche mein geduldiges Publikum, das einzig und allein aus Caroline besteht. Sie hat mir den ganzen Weg zum Tatton Park gelauscht, als Belohnung dafür, dass sie mich im Wagen mitgenommen hat.
Ich schultere den Picknickkorb, und sie trägt eine wachsbeschichtete Decke und die Kühltasche mit den klirrenden Flaschen. Caroline hatte letzte Woche Geburtstag, und sie hat sich gewünscht, ihn mit einem klassischen Konzert und Feuerwerk zu feiern, also haben wir uns vor einer gefühlten Ewigkeit die Tickets gekauft. Heute beweist Caroline seelische Größe: Mindy und Ivor sind untergetaucht, Status unbekannt, und Rachel ist hier, Status desolat. Nur unsere Kreditkartenschulden und ein gewisses Pflichtbewusstsein schweißen uns zusammen.
Sie und Mindy kennen meine Geschichte natürlich schon. Ich habe sie beide angerufen und musste zugeben, dass es eigentlich keine
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