Wir in drei Worten
geschlafen und ist dann gegangen. Und ich bin sofort zu dir gelaufen und habe erfahren, dass du bereits auf dem Weg nach London warst. Du hast meine Anrufe nicht angenommen und meinen Brief nicht beantwortet. Das war’s. Vorbei.«
Ben schweigt.
»Und dann hat sich eines Tages Abi am Telefon gemeldet.«
Er zuckt zusammen. »Sie hat es sicher nicht böse gemeint.«
»Sie war nicht unfreundlich. Tatsächlich hat sie mir wahrscheinlich einen großen Gefallen getan. Sie hat mir erzählt, dass du deinen Abreisetermin vorverlegt hättest, und gemeint, sie verstehe nicht, warum ich immer wieder anrufe, wo du offensichtlich nicht mit mir sprechen wolltest. Was sollte ich tun? Zu dir fahren und vor deiner Tür kampieren? Ich war verzweifelt genug, um das zu tun, doch zu dem Zeitpunkt war ich längst überzeugt, dass du es dir anders überlegt hattest.«
Ben schüttelt den Kopf. Er will das nicht alles wieder aufwärmen, das weiß ich, aber ich lasse ihm keine andere Wahl. Er spielt mit dem Griff seiner Aktentasche, als wolle er sich versichern, dass er jederzeit flüchten kann.
»Ich hatte keine Ahnung, was du wolltest. Eigentlich während des ganzen Studiums. Rhys war so dominant, und du hast es zugelassen. Manchmal hatte ich den Eindruck, du würdest meine Gefühle erwidern, doch dann … Ich wusste, dass du nicht mit mir im Bett hattest landen wollen. Was du anschließend empfunden hast, war mir nicht klar, obwohl du nette Dinge gesagt hast. Ich musste dir ein wenig Raum zum Luftholen lassen, damit du eine Entscheidung treffen konntest. Und das hast du dann auch getan.«
»Nein.« Ich schüttle den Kopf. »Zumindest habe ich mich nicht so entschieden, wie du denkst.«
»Moment mal, du warst die ganze Zeit mit dem Kerl zusammen, du hast dich mit ihm verlobt. Willst du ernsthaft behaupten, das sei nicht deine Entscheidung gewesen?«
»Ich bin nicht stolz darauf, aber ich bin in mein altes Muster zurückgefallen und bei Rhys geblieben. Ich glaubte, ihn zu schonen, indem ich verschwieg, was in der Nacht vor dem Ball geschehen war. Letztlich war das jedoch viel, viel grausamer. Für alle Beteiligten.«
Ben starrt mich an. Er öffnet den Mund und schließt ihn wieder. »Okay, wie auch immer. Aber ich habe dir drei Jahre lang alle Zeichen gegeben, die möglich waren, ohne direkt über dich herzufallen. Rückblickend durch die rosarote Brille betrachtet, glaubst du, Pech gehabt zu haben, aber als du mich hättest haben können, warst du unentschlossen. Wenn man etwas nicht mehr haben kann, sieht es plötzlich verlockender aus.«
»Ich habe mich nicht gegen dich entschieden. Das könnte ich niemals tun.«
»Dann war es eben eine Versäumnisentscheidung. Du scheinst deine Entscheidungen öfter so zu fällen – indem du sich nicht triffst. Sie treten einfach ein.«
Die Richtigkeit seiner Worte trifft mich so hart, als hätte man mir eine Fleischkonserve in einer Socke an den Kopf geknallt. Ich möchte widersprechen, mich mit jedem Knochen in meinem Leib und mit jeder Faser meines Körpers dagegen zur Wehr setzen, aber manchmal gibt es einfach nicht genügend neue Beweise, um in Berufung zu gehen.
»Es tut mir leid, dass ich davongelaufen bin«, erklärt Ben. »Das war armselig. Verdammt, vielleicht habe ich doch mehr von meinem Dad, als mir lieb ist.«
Wir schweigen eine Weile. Jetzt, wo die ganze Wahrheit raus ist, sollte ich eigentlich das Gefühl haben, endlich abschließen zu können. Aber ich fühle mich verlorener als je zuvor. Und was bringt es, darüber zu diskutieren, wer Schuld hat? Wir befinden uns im Hier und Jetzt. Wenn wir zu einer anderen Deutung der Vergangenheit kommen, heißt das noch lange nicht, dass das die Gegenwart ändert.
»Wie passt dein Date mit Simon in das Ganze?«, fragt Ben schließlich.
»Er war an mir interessiert, das hat mir geschmeichelt. Und du hast mich als unscheinbar bezeichnet.« Vielleicht verrate ich jetzt zu viel über meine Gedankenprozesse. »Etwa fünf Minuten lang hielt ich es für möglich. Ich schätze, ich habe es als Mittel betrachtet, in deiner Nähe zu sein.«
»Du hast ihn benutzt?«
»Nicht vorsätzlich.«
»Das wird auf deinem Grabstein stehen. Hier liegt Rachel Woodford. Nicht vorsätzlich.« Er lächelt. »Allerdings war es an der Zeit, dass Simon auch einmal etwas einstecken musste.«
Seine Stimme klingt jetzt fester, aber er sieht mich immer noch so an, als wäre ich ein faszinierendes, schauriges Ausstellungsstück in einem Museum: eine mumifizierte
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