Wir Kinder Vom Bahnhof Zoo
12 und hatte noch nicht mal meine Periode gehabt. Was ich wollte, war: erzählen können, dass der Piet bei mir zu Hause war. Dann hätten die anderen gedacht, ich gehe mit ihm, oder aber doch, dass ich ganz schön dick in dieser coolen Clique drin bin.
Da waren also Piet und Kathi. In unserer Wohnung war zu dieser Zeit niemand, denn meine Mutter und ihr Freund arbeiteten ja tagsüber. Ich sagte also zu Kessi: »Lass uns zu den Jungs gehen und ein bisschen quatschen.« Mir klopfte das Herz. Aber ich fragte Piet schon nach ein paar Minuten richtig selbstbewusst: »Habt ihr nicht Bock, mit zu mir zu kommen? Da ist niemand. Und der Freund meiner Mutter hat ein paar ganz geile Scheiben, Led Zeppelin, David Bowie, Ten Years After, Deep Purple und das Album vom Woodstock Festival.«
Ich hatte schon eine Menge gelernt. Ich kannte nicht nur die Musik, auf die sie standen, ich hatte auch ihre Sprache gelernt. Die war anders, wie alles bei ihnen. Ich hatte mich ganz auf die neuen Ausdrücke konzentriert, die ich von ihnen hörte. Das war mir wichtiger als Englischvokabeln oder Mathematikformeln.
Piet und Kathi waren sofort dabei. Ich freute mich riesig. Ich war ganz selbstbewusst. Zu Hause habe ich gesagt: »Leute, Scheiße, aber ich habe nichts zu trinken.« Da haben wir all unsere Groschen zusammengeworfen und ich bin mit Kathi losgezogen. Wir gingen in den Supermarkt. Bier war zu teuer. Da brauchte man einige Mark, um sich ein bisschen anzutörnen. Wir kauften eine Literflasche Rotwein für 1,98 Mark. Pennerwein nannten sie das.
Wir tranken also die Flasche aus und quatschten. Es ging meistens um die Polizei. Piet sagte, er müsse jetzt höllisch aufpassen vor den Bullen wegen des Dopes. Haschisch nannten sie Dope, das kam aus dem Englischen. Sie schimpften auf die Bullen und sagten, dass dies ein Bullenstaat sei.
Für mich war das alles wahnsinnig neu. Ich kannte bisher eigentlich nur Hauswarte als Autoritätstypen, die man hassen musste, weil sie einem immer im Nacken waren, wenn man Spaß hatte. Polizisten waren für mich noch eine unangreifbare Autorität. Jetzt lernte ich, dass die Hauswartswelt von Gropiusstadt eine Bullenwelt sei. Dass Bullen viel gefährlicher als Hauswarte waren. Was Piet und Kathi sagten, war für mich sowieso die reine und letzte Wahrheit.
Als der Wein alle war, sagte Piet, er habe noch Dope zu Hause. Bei den anderen war großer Jubel. Piet ging über den Balkon raus. Wir wohnten jetzt im Erdgeschoss und ich ging meistens auch über den Balkon. Das fand ich wahnsinnig toll nach den Jahren im elften Stock.
Piet kam mit einer Platte zurück, die war fast so groß wie eine Hand, unterteilt in Grammstücke für 10 Mark. Er holte ein Schillum raus. Das ist ein Holzrohr, etwa 20 Zentimeter lang. Er stopfte oben erst Tabak rein, damit man nicht bis auf das Holz rauchen musste. Dann mischte er Tabak und Hasch und tat die Mischung obendrauf. Zum Rauchen muss man den Kopf zurückbiegen und das Rohr möglichst senkrecht nach oben halten, damit keine Glut rausfällt.
Ich sah genau zu, wie die anderen das machten. Mir war klar, dass ich nun, wo ich Piet und Kathi bei mir zu Hause hatte, nicht Nein sagen konnte. Ich sagte also ganz cool: »Heute habe ich auch Bock auf Dope.« Und ich tat so, als wäre es mein soundsovieltes Schillum.
Wir hatten die Jalousien runtergelassen. In dem Licht, das noch durch die Jalousien kam, waren dicke Qualmwolken. Ich hatte eine Platte von David Bowie aufgelegt und zog an dem Schillum und hielt den Rauch in den Lungen, bis ich einen Hustenanfall kriegte. Alle wurden ganz still. Jeder döste irgendwie vor sich hin und hörte der Musik zu.
Ich wartete, dass mit mir etwas passierte. Ich dachte, jetzt, wo du Rauschgift genommen hast, muss irgendetwas wahnsinnig Neues mit dir passieren. Aber ich merkte eigentlich überhaupt nichts. Ich fühlte mich nur ein bisschen beduselt. Aber das kam eigentlich vom Wein. Ich wusste noch nicht, dass die meisten beim ersten Mal Haschischrauchen gar nichts bewusst spüren. Man braucht also regelrecht ein bisschen Übung, bis man das Feeling, das Haschisch gibt, bewusst mitkriegt. Alkohol haut da viel mehr rein.
Ich sah, wie Piet und Kessi, die auf dem Sofa saßen, aneinanderrückten. Piet streichelte Kessis Arme. Nach einer Weile standen die beiden auf, gingen in mein Kinderzimmer und machten die Tür zu.
Ich war nun mit Kathi allein. Er setzte sich zu mir auf die Sessellehne und legte mir einen Arm über die Schultern. Ich fand sofort
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